Zeichnungen.
Lionardds
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Blättern unter der Bezeichnung Lionardo auf, an welchen der Meister
völlig unschuldig ist. Wird ihm im Louvre doch sogar ein geistlos
spätgothischer Entwurf zu einem Kamin zugeschrieben (Br. 208)! Nicht
minder untergeschoben sind dort u. a. die bei Braun photographirten
Blatterdöö, 171, 177, 184, 191, 192, 197-208, 211. Aus der Alber-
tina ist eine hübsche, aber schwache perugineske Nacktstudie zu einer
Madonna della misericordia (Br. 95), eine ähnliche, aber weit voll-
kommenere Zeichnung Gaudenzio Ferraris zur Himmelfahrt der Mag-
dalena, (Br, 93), ein Wahrscheinlich von Holbein herrührender männ-
licher Kopf (Br. 96) unter dem Namen Lionardds veröffentlicht worden.
Auch der Kopf in der Ambrosiana (Br. 31) ist ein Holbein. Am
naivsten ist man in der Ambrosiana verfahren, wo zwei kleine Brust-
bilder des Prospero Colonna vom Jahr 1523, und des Marchese Pes-
cara, des Gemahls der Vittoria Colonna, von 1524, also vier, ja fünf
Jahre nach Lionardos Tode entstanden (Br. 79, 80) diesem Meister
beigelegt werden. Ausserdem stellen sich dort unter manchen anderen
untergeschobenen Sachen die bei Br. 27, 29, 31, 35, 42, 52, 55, 59-61,
76, 78, 84, 87, S8, 102 photographirten Blätter auf den ersten Blick
als unächt heraus. Doch es würde hier zu weit führen, diese Liste
zu vervollständigen.
Die Darstellungsweisen Lionardds sind überaus mannichtaltig;
Federzeichnungen wechseln mit Blättern in Kreide, Rothstift, Kohle
und Silberstift. In der Regel ist ein farbiges Papier, namentlich Grün
gewählt, wo dann die Lichter in Weiss aufgesetzt sind. Die Feinheit
der Formbezeichnung in diesen zahlreichen Blättern ist von einer nie
übertroffenen Vollendung, besonders aber hat Lionardo durch das ein-
fache Mittel schräger Schraffirung die erstaunlichste plastiche Rundung
und zugleich den duftigsten malerischen Schmelz zu erreichen gewusst.
Merkwürdig, wie wenig Entwürfe zu grösseren Compositionen sich
finden. Die Skizze zur Anbetung der Könige in den Üfüzien bildet
eine Ausnahme, hie und da findet sich noch eine Madonna von ein-
fachster Anlage. So in den Ufiizien zwei schlichte Compositionen
(Br. 440, 448) aus seiner frühen tlorentiner Zeit; eine köstliche Feder-
studie zu einer h. Familie aus seiner reifsten Epoche im Louvre (Br. 189),
wo das auf dem Schooss der Madonna rittlings sitzende, zum kleinen
Johannes hinstrebende Christuskind auf Andrea del Sarto bei der Com-
position der Madonna del Sacco eingewirkt hat. Herrlich ist in derselben
Sammlung (Br. 185) ein Blatt mit den geistreichsten Studien zu einer
Anbetung der Könige, von höchster Feinheit im Ausdrucke der ver-