Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

Die Persönlichkeit Lionardds. 
Cloux mit allen Gnadenmitteln der h. Mutterkirche versehen und wohl- 
vorbereitet." Vasarisrührende Erzählung von dem Tode des Künst- 
lers in den Armen Franz des Ersten hat sich als Fabel herausgestellt. 
Es ist etwas Räthselhaftes, Faustisches in der Natur dieses grossen 
Mannes. Was wir von ihm hören, zwingt uns zur Bewunderung. 
Aber es fehlt jenes menschlich Nahbare, das die Sympathie erweckt. 
Einsam, fast wie eine Wunderbare Naturerscheinung, geht er durch's 
Leben. Schon die Wiege des illegitimen Kindes ist fern von dem 
traulichen Glück eines Familienkreises. Wenn der Vater ihn auch 
anerkannte, so erfahren wir doch über das Verhältniss zu seinen legi- 
timen Geschwistern nichts Freundliches. Jener langwierige Prozess 
mit seinen Brüdern deutet nicht auf ein angenehmes Verhältniss. Eben 
so wenig hat Lionardo selbst eine Familie gegründet; er blieb unver- 
heirathet, obwohl er, wie Wir aus seinen Werken sehen, für weibliche 
Schönheit und Liebenswürdigkeit in hohem Grade empfänglich war. 
Seine Schüler waren und blieben seine einzige Familie; mit welcher 
Innigkeit diese an ihm hingen, haben wir erfahren. Nicht minder 
wurde uns kund, wie hoch er von Allen, mit welchen er in Berührung 
kam, namentlich von den Fürsten, denen er diente, geschätzt wurde. 
"Der Glanz seines schönen Angesichts, sagt Vasari, erheiterte jedes 
traurige Gemüth und seine Rede vermochte die hartnäckigste Meinung 
zu ja und nein zu bewegen. Jeden heftigen Ungestüm wusste er durch 
die Kraft zurückzuhalten, die ihm inne wohnte. Mit natürlicher Frei- 
gebigkeit bot er seinen Freunden Aufnahme und Bewirthung, gleichviel 
0b sie arm oder reich waren, wenn nur Geist und Treiflichkeit sie 
zierten. Den unbedeutendsten, schmucklosesten Raum verschönte und 
verherrlichte er durch jede seiner Handlungen." Wie gern möchten 
wir ein Bildniss seiner glänzenden Erscheinung aus der Blüthezeit 
des Lebens besitzen; aber nichts derart ist uns erhalten, und nur aus 
seinen späten Jahren besitzen wir mehrere Bildnisse des Meisters, von 
denen das bekannte in den Uffizien befindliche indess schwerlich 
ein eigenhändiges WVerk. Dagegen sind einige Handzeichnungen Lic- 
nardo's, die eine in der Sammlung der königlichen Handbibliothek 
zu Turin (Fig. M), eine Kopie in der Akademie zu Venedig, welche 
uns den grossartigen Kopf des Meisters aus seiner letzten Lebenszeit 
veranschaulichen. Es ist ein Kopf von gebieterischer Hoheit, von 
"langem Haar umrahmt, das mit dem mächtigen Bart zusammeniiiesst. 
Die buschigen Brauen überschatten den Blick der tiefliegenden Augen, 
und in dem Munde zuckt ein Zug von Resignation. Es sind Züge, in
	        
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