Buch.
Kapitel.
Lionardo
Vinci.
So lebte der alternde, vereinsamte Meister fern von der Heimath,
in dem rauhen, nördlichen Klima kaum drei Jahre auf dem Schlosse
Amboise, als er seine Kräfte hinsehwinden fühlte und in Vorahnung
des nahen Todes am 23. April 1518 sein Testament machte. Dasselbe
beginnt mit einer frommen Einleitung, in welcher er seine Seele unserm
Herrn und Gott („ad nostro signore messer domine die"), der glor-
reichen Jungfrau Maria, "Monsignorea dem h. Michael und allen
seligen Engeln und Heiligen des Paradieses empfiehlt. Er bestimmt
sodann, dass er in der Kirche des h. Florentinus zu Amboise unter
zahlreichem Geleit der Geistlichen, nicht bloss dieser Kirche, sondern
auch der des h. Dionysius und der Minoritenbrüder daselbst begraben
werden wolle. Sechszig Fackeln, von eben so vielen Armen getragen,
die er dafür mit einem Almosen bedenkt, sollen seinem Leichenbegäng-
nisse folgen. Zahlreich sind sonst die milden Gaben, welche er an
die Kranken in den Spitälern und für die Kirchen der Stadt aussetzt.
Ebenso verordnet er, dass eine "grosse Anzahl von Seelenmessen für
ihn gehalten werden sollen. Zu seinem Haupterben und Testaments-
vollstrecker ernennt er seinen Lieblingsschüler Messer Francesco da
Melzo, Edelmann aus Mailand, welchem er zum Lohn für die ihm
geleisteten angenehmen Dienste seine Bücher, sowie die Instrumente
und lwanuscripte, welche sich auf die Kunst beziehen, vermacht. Seinen
Dienern Battista de Vilanis und Andrea Salai schenkt er seinen in der
Nahe von Mailand gelegenen Garten, in welchem letzterer sich bereits
früher hatte ein Haus errichten dürfen. Auch das Recht der Wasser-
nutzung überträgt er dem Vilanis. Endlich wird auch seine Dienerin
mit einem Vermächtniss bedacht. Ein schöner Zug ist ferner, dass
er seinen Brüdern in Florenz, trotz jener Prozessstreitigkeiten, ein
ihm dort gehörendes Kapital von 400 Scudi vermacht. Noch existirt
der Brief, in Welchem Francesco Melzi diesen Verwandten den Tod
des Lionardo anzeigt. Er bietet eins der schönsten Zeugnisse für den
Menschen Lionardo. „'Ihr werdet, so schreibt er, schon benachrichtigt
sein von dem Tode Meister Lionardds, eures Bruders und meines
allerbesten Vaters. Vergeblich würde ich mich bemühen den Schmerz
auszudrücken, welchen mir sein Tod verursacht hat, und so lange noch
meine Glieder zusammenhalten, wird mich der Schmerz um dieses
schwere Unglück begleiten, und zwar mit vollem Recht, denn täglich
erhielt ich von ihm Beweise der hingebendsten und herzlichsten Liebe.
Nun möge der allmächtige Gott ihm die ewige Ruhe schenken.
Er schied aus diesem Leben den 2. Mai (1519) auf dem Schlosse zu