Lionardds.
Letzte Lebensjahre
Soldaten erregte solche Bewunderung, dass Viele ihn demjenigen Lio-
nardo's verzogen. Kein llVunder, dass daraus Eifersucht und Erbitte-
rung zwischen beiden grossen Künstlern und mehr noch ihren Partei-
gängern, wie es zu geschehen pflegt, entstand. Als nun Michelangelo,
der grade in Florenz beschäftigt war, erfuhr, dass Lionardo in Rom
sei, ergriff ihn, wie es scheint, die Besorgniss, dieser könne ihn beim
Papst verdrängen, und er eilte schleunigst nach Rom. Kaum vernahm
Lionardo die Ankunft seines N ebenbuhlers, dessen Auftreten ihm schon
in Florenz widerwärtig gewesen war, so verliess er sofort Rom und
ging nach Mailand zurück. Hier war inzwischen Franz I. durch den
Sieg bei Marignano wieder in den Besitz der Lombardei gekommen.
Hatte schon sein Vorgänger den grossen Künstler auf's Höchste ver-
ehrt, so übertrug sich diese Gesinnung noch in erhöhtem Maasse auf
den jungen, glänzenden und kunstliebenden König. Er ernannte Lio-
nardo mit dem bedeutenden Jahrgehalt von 7ÜÜ Scudi zu seinem
Maler, und als er im Anfang des Jahres 1516 nach Frankreich Zllfüßk-
kehrte, musste Lionardo ihn begleiten. Aber diese späte Gunst des
Geschicks vermochte dem alternden Meister nur noch ein paar ruhige
Lebensjahre zu verschaffen; für seine künstlerische Schöpferkraft War
sie ziemlich unergiebig. Zwar sollte Lionardo den von ihm nach
Frankreich mitgenommenen, in Florenz gezeichneten Karton der h. Familie
für den König als Gemälde ausführen, allein bei der zögernden Weise
Lionardo's kam es nie dazu. In der That scheint er nur ein einziges
Bild für Franz I. gemalt zu haben, eine Leda, welche den Hals des
Schwanes umfasst. YVie die meisten Werke Lionardds kommt auch
dieses in mehreren Wiederholungen vor, unter welchen jedoch das
Original nicht mit Sicherheit nachzuweisen ist. Eine geistreiche Feder-
zeichnnng Lionardo's im Yluseum zu Weimar (Br. 148) gißbt ein
Bild dieser anmuthigen Üomposition. Leda kniet, nach links ge-
wendet, vor dem Ei, aus welchem eben die Zwillinge ausschlüpfen,
während sie mit dem hold geneigten Kopfe sich nach rechts wendet
und den Schwan mit der Linken liebkost. In die spätere Zeit des
Meisters gehört noch der jugendliche halbnackte Johannes im Louvre,
ein Werk von hinreissendem Zauber, der köstliche Kopf voll jenes süssen
verführerischen Lachelns, das mit dem geheimnissvoll tiefen Seelenblick
der Augen sich zu einer Wirkung verbindet, wie wir sie sonst nur
noch bei der Mona Lisa finden. Das Haupthaar bildet einen dichten
Wald von trefflich ausgeführten Löckchen, die Carnation ist von goldigem
Schimmer bei schmutzig grünlich-grauem Schatten.