Karton
Hathssaal
den
dem Todesstosse bedroht wird, während seitwärts ein ebenfalls zu Boden
gestürzter Krieger sich mit dem Schilde deckt und aus dem Getümmel
zu entkommen sucht. Zu beachten ist, dass der Kupferstich das Ori-
ginal von der Gegenseite wiedergiebt, wodurch sämmtliche Krieger
mit der Linken ihre Waffen zu führen scheinen. Dass übrigens die
Formen Lionard0's stark in's Flandrische übersetzt sind, wird man
nicht verkennen; dagegen wird die phantastische Form der Waffen
und Rüstungen wohl ihm selbst zuzuschreiben sein.
Ueber die Composition des ganzen Bildes giebt eine noch vor-
handene Denkschrift Lionardds einige Andeutung. Demnach nahm
offenbar die eine Seite das iiorentinische Heer ein, geführt von seinem
Oberfeldherrn, dem Patriarchen von Aquileja, welcher dargestellt war,
wie er im Gebet mit gefalteten Händen Gott um Sieg antleht, wobei
aus einer Wolke ihm der h. Petrus erscheint. Den Mittelpunkt des
Bildes aber wird der Kampf um eine Brücke eingenommen haben,
und diesem wird auch die noch vorhandene Episode angehören. Auf
der andern Seite endlich wird die Flucht und Verfolgung des feind-
lichen Heeres dargestellt gewesen sein. Der Karton machte bei seiner
Vollendung das grösste Aufsehen und war lange Zeit Gegenstand des
Studiums für die heranwachsende Generation. Hier studirte auch der
jugendliche Rafael, in dessen berühmter Constantinsschlacht, wie man
mit Recht hervorgehoben hat, ein Nachklang der Composition Lionardo's
zu vermuthen ist. Denn auch dort handelt es sich um den Kampf auf
einer Brücke, welcheslüberaus dankbare Motiv später Tizian in seiner
Schlacht von Cadore und Rubens in seiner Anlazonenschlacht wiederum
verwendet haben. Dass es an einer Fülle ergreifender Episoden nicht
fehlte, darf man, wie Waagen richtig hervorhebt, schon aus der Stelle
des Traktats über die Malerei abnehmen, wo Lionardo mit grosser
Ausführlichkeit davon handelt, wie eine Schlacht dargestellt werden
müsse. Für die Ausführung des Gemäldes wollte der Meister, wie ge-
sagt, nach VasarYs Erzählung wieder Oelfarben verwenden, wenn nicht
Milanesfs Anonymus besser unterrichtet ist, der von einem Versuch
des Meisters spricht, die Enkaustik der Alten wieder zu beleben. Er
habe zuerst in der ihm für seine Arbeit eingeräumten Sala del Papa
im Kloster von S. Maria Novella einen Versuch im Kleinen gemacht,
seine Malerei durch ein starkes davor angezündetes Feuer zu trocknen.
Als er dies Verfahren dann im Saal des Palazzo Vecchio habe anwenden
ltaliano,
II.
Archivio storico
Liibke, Italien. Malerei.
1872,
XVI.
Tom.