Abendmahl
Das
Lionardds.
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für das Refectoriuin von Sta. Maria delle Grazie ausgeführte welt-
berühmte Abendmahl. d) In diesem Werke hatte er all sein Wissen
und Können in grossartiger Anspannung und Concentration der Kräfte
niedergelegt. Leider ist auch diese Schöpfung von vernichtenden
Schicksalen verfolgt worden. Den ersten Anstoss zum Verderben hatte
der Künstler selbst gegeben, indem er, um die höchst mögliche Vol-
lendung zu erreichen, das Bild in Oelfarben auf die Wand malte.
Während das einige Jahre vorher in demselben Raum ausgeführte
Fresko von Montorfano (I. S. 493) bis auf den heutigen Tag wohl-
erhalten ist, blätterte Lionardo's Meisterwerk bald dermassen ab, dass
es schon nach fünfzig Jahren als ruinirt galt. Eine rohere Zerstörung
verhängten die Dominikanermönche des Klosters über das edle Werk,
als sie im Jahre 1852, eines bequemeren Zuganges wegen, in der Mitte
der Wand eine Thür ausbrechen liessen, welche nicht bloss Christus und
die benachbarten Apostel ihrer Füsse beraubte, sondern auch durch die
Erschütterung der Mauer das Verderben des Bildes noch mehr beschleu-
nigte. Damit noch nicht genug, nagelte man auch in dasselbe ein kaiser-
liches Wappen, welches bis auf den Scheitel Christi herabreichte. Hatten
diese muthwilligen Beschädigungen das Bild auf's Aeusserste gefährdet
und das Abblättern der Farben nur noch beschleunigt, so wurde in
der Folgezeit durch sogenannte Restaurationen der letzte Schlag der
Vernichtung geführt. Im Jahre 1726 begann ein gewisser Bellotti
das Bild mit frecher Hand zu übermalen, und was dieser verschont
hatte, wurde 1770 durch einen elenden Stümper Namens Mazza voll-
ständig überpinselt. Als die allgemeine Entrüstung dieser Barbarei
ein Ziel setzte, waren nur noch die Köpfe von Simon, Matthäus und
Thaddäus unberührt. Als 1796 Bonaparte in die Lombardei eindrang,
befahl er Schonung des durch Lionardo's Kunst geheiligten Raumes,
aber der Befehl wurde missachtet und das Refectorium in einen Pferde-
stall verwandelt, wo dann der feuchte Brodem der Ausdünstung dem
Gemälde ebenfalls schädlich wurde. Dann wieder diente der Raum als
Heumagazin oder als Gewahrsam für Kriegsgefangene, und endlich
überfiel die tiefgelegene Gegend im Jahre 1800 eine Ueberschwem-
mung, bei welcher das Wasser in dem Saale mehrere Fuss hoch stand.
A18 dann 1807 der Vicekönig von Italien seine Sorgfalt dem beispiellos
misshandelten Bilde zuwandte, war nur eine entstellte Leiche von dem
i) Vgl. G. Bossi, del cenacolo
schönen Aufsatz von Goethe.
di
da
Lionardo
Vinci.
Milano
1810,
den
dazu