Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

Arbeiten 
Mailänder 
Frühe 
Lionardds. 
langbärtigen Zacharias schliessen die Gruppe ab, deren ideale Schönheit 
sie durch ihren energischen Realismus nur noch glänzender in's Licht 
setzen. Eine holdere Madonna und lieblichere Kinder hat selbst die 
Kunst RafaePs nicht hervorgebracht, wie denn überhaupt hier die volle 
Herrlichkeit der Kunst des Cinquecento ihren Einzug hält und nament- 
lichgegenüber der vierge aux rochers die höhere Stufe der Entwick- 
lung bezeichnet. Gleichwohl ist in der Färbung, namentlich in dem 
bräunlichen Fleischton, dem tiefblauen grün gefütterten Mantel und 
dem leuchtendrothen Kleide der Madonna die florentinische Erbschaft 
und die Verwandtschaft mit Lorenzo di Credi nicht zu verkennen. 
Auch die Durchführung ist bis in's Kleinste noch von höchster Sorg- 
falt, wenn auch nicht mehr von solcher Vorliebe für allerlei Zierrath 
wie in der Madonna Litta. Das Bild, welches in die Mitte der Mai- 
länder Zeit fallen mag, kam neuerdings in den Besitz des Kunsthand- 
lers Woodburn, welcher. es für 4000 Pfund verkaufte. Jetzt befindet 
es sich im Schloss des Lord Warwick auf Gattonpark. Alte Kopieen 
desselben, z. B. in der Brera zu Mailand und im Fitzwilliam-Museum 
zu Cambridge bezeugen, dass es schon früh hochgeschätzt wurde. 
Unter den Porträts der Mailänder Zeit ist vor Allem das köstliche 
Frauenbildniss im Louvre zu nennen, welches dort als nla belle fer- 
ronniere", eine der Geliebten Franz I., bezeichnet wird, wahrscheinlich 
aber die Lucrezia Crivelli, eine Maitresse des Lodovico Sforza dar- 
stellt, die Lionardo um 1494 gemalt hat. (Fig. B). Es ist ein an- 
muthiges Köpfchen von feinen Formen, mit zierlichem kleinem Mund, 
der das später dem Lionardo eigne süsse Lächeln noch nicht hat. 
Vielmehr verleiht der Ausdruck der grossen dunklen Augen, die klare 
Stirn und die edle grade Nase dem Kopf einen Ausdruck anmuthvollen 
Ernstes. Das Haar ist schlicht gescheitelt und von einer Schnur um- 
wunden, welche in der Mitte der Stirn einen Edelstein in reicher Fassung 
zeigt. Eine zierliche Schnur umgiebt mehrfach den schlanken Hals, 
das Mieder ist mit Sammt und Goldstickerei eingefasst und die Aermel 
zeigen jene Puflfen und Schleifen der damaligen Mode. Die Färbung 
ist überaus fein in klaren warmen Tönen durchgeführt, deren lichtes 
Gold mit dem leuchtend rothen Kleide harmonisch zusammenstimmt. 
Zugleich liegt über dem Ganzen jene anspruchslose Einfachheit der 
Auffassung, welche den früheren Arbeiten Lionardds eigen ist. Ausser- 
dem besitzt die Ambrosiana die angeblichen Porträts des Moro und 
seiner Gemahlin Beatrice d'Este. Das Proiilbild der Dame athmet 
dieselbe schlichte Anspruchslosigkeit und die bewundernswürdige Fein-
	        
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