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III.
Buch.
XIII.
Kapitel.
Maler
Die
des
Festlandes.
venezianisch en
tisch empfunden wie wenige seiner Bilder. Eine ähnlich gemüthvolle
Scene ist die Anbetung des Christkindes in der Galerie zu Brescia;
nicht minder anziehend die frei malerisch componirte h. Familie vom
Jahr 1534 in den Uffizien (Fig. 137). Die Anordnung ist sehr eigen-
thümlich und für Lotto bezeichnend; denn die h. Anna sitzt auf
Kissen und ihr im Schoosse liegt halb aufgerichtet die Madonna, die in
reizender Bewegung das auf ihrem Knie stehende Christkind zärtlich
an sich drückt. Dieses umhalst herzlich die Mutter, wendet sich aber
zum h. Joseph, der mit innigem Ausdruck den Kleinen betrachtet,
Während hinter ihm der h. Hieronymus verehrungsvoll naht. Das
Ganze ist wie im Geiste Correggiols entworfen. Eine andere ver-
wandte Darstellung in der Galerie Manfrin zu Venedig ist noch
völlig im Charakter Palma's und Bonifazids gehalten, hat aber im
Kolorit stark gelitten. Vortreiflich ist ferner die kleine Tafel mit
dem büssenden Hieronymus in poetischer Landschaft, welche die Ga-
lerie Doria in Rom besitzt, minder erfreulich die Trauer um den
todten Christus in der Brera Nr. 207, die auffallend schlecht com-
ponirt und dabei bunt und hart in der Farbe ist. Dieses Bild stammt
aus Treviso, wo Lotto 1544 sich aufhielt und vielfach beschäftigt war.
Ein ergreifendes Werk ist noch immer trotz starker Verunglimpfungen
die grosse Altartafel im Museum zu Stuttgart, welche den Gekreu-
zigten mit den ausdrucksvollen Gestalten der Maria und des Johannes
darstellt. Die am besten erhaltene Figur Christi ist in warmem Ton
trefflich durchgeführt, durch Adel der Formen und des Ausdrucks aus-
gezeichnet. Aus dem Jahre 1546 besitzt die Kirche S. Giacomo del
Orio zu Venedig eine stattliche Altartafel der thronenden und von
Engeln gekrönten Madonna, die von vier Heiligen verehrt wird, ein
Werk, das in der gediegenen Leuchtkraft sich wieder ganz venezianisch
geberdet. Vollends tizianisch muthet uns ein h. Rochus im Palast
Giovanelli an, der den nach a.llen Seiten schillernden Meister wieder
im venezianischen Fahrwasser zeigt. Endlich finden wir ihn 1550 aber-
mals in Ancona, wo er ein schwaches Altarbild der Madonna für
S. Maria della Pace malte. Die letzte Zeit seines Lebens brachte der
alternde Meister in Loreto zu, wohin er sich zurückgezogen hatte
und wo er bald nach 1554 gestorben ist. Im Regierungspalast da-
selbst sieht man nicht weniger als acht aus dem Dom stammende
Bilder, die jedoch grösstentheils tiefe Erschöpfung verrathen.
Lotto gehört auch als Bildnissmaler zu den tüchtigsten Meistern
der Zeit, und wetteifert in Würde der Auffassung und koloristischer