628
Buch.
XIII.
Kapitel.
Festlandes.
venezianischen
Maler
Thron, und vier acht correggeske schwebende Engel in den kühnsten
Verkürzungen halten den grünen Teppich, Während ein schreibender
Engel am Fuss des Thrones sitzt. Namentlich an dem letzteren be-
merkt man, wie die bauschenden Gewänder den Bau des Körpers
völlig verdecken, eine bei Lotto immer mehr hervortretende Eigenheit.
Das Bild ist von einer kolossalen Gewalt der Farbe, kräftig und doch
weich verschmolzen, nur der rothe Mantel der Madonna etwas zu
intensiv leuchtend, Bau und Wirkung des Ganzen ungemein grossartig,
aber wie bei Correggio schon stark weltlich. Aus demselben Jahr end-
lich stammt noch ein drittes Bild, der Abschied Christi von seiner ohn-
mächtig zusammenbrechenden Mutter im iMuseum zu Berlin, voll
Empfindung, aber etwas flüchtig gemalt; sodann von 1522 eine Tafel
mit der h. Katharina in der Galerie Leuchtenberg zu Petersburg;
von 1523 in der Galerie zu Bergamo eine Verlobung der Katharina,
prachtvoll gemalt in frischen leuchtenden Farben, aber schon ungemein
geziert im Ausdruck. Denselben Gegenstand behandelte er im fol-
genden Jahre 1524 noch einmal in dem ebenfalls glanzvoll wirkenden
Bilde, welches man im Quirinal sieht. Von einer grossen Altartafel
in S. Giov. Battista zu Ponteranica bei Bergamo und von den
Fresken in S. Barbara zu Trescorre vom Jahre 1524 vermögen
wir keinen Bericht zu geben; aber die Wandgemälde in S. Micchele
zu Bergamo, sowie ein Freskobild in S. Domenico zu Recanati,
welches die Glorie des h. Dominikus darstellt, zeigen seine glänzende
Gabe auch für diese Technik auf der vollen Höhe der Meisterschaft.
Auch sonst war er um diese Zeit mehrfach in den Städten der ankoni-
tanischen Mark beschäftigt, wie er denn 1526 eine Altartßfel der
thronenden Madonna für die Minoritenkirche zu J esi malte.
Die kriegerischen Unruhen trieben Lotto bald nach dieser Zeit
nach Venedig, wo es an Aufträgen für den begabten und gewandten
Künstler nicht fehlte. Im Jahr 1529 entstand das Altarbild mit der Ver-
herrlichung des h. Nikolaus, welches man im Carmine auf dem zweiten
Altare links sieht. Der Heilige ist in Wolken thronend, von Engeln
und der h. Lucia, sowie von Johannes dem Täufer umgeben dar-
gestellt. Es ist ein .Werk von gediegener Behandlung und poetischer
Auffassung, die besonders in der herrlichen Waldlandschaft mit dem
weiten Höhenblick anziehend wirkt. Das glühende, nobelgestimmte,
ächt venezianische Kolorit zeigt, dass er die Einflüsse Correggids
abgestreift hatte und in lebendigen Wetteifer mit Palma und Tizian
getreten war. Noch grossartiger ist die Altartafel in S. Giovanni