Brescianer:
Moretto.
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Lilienstab stützt; ein neues originelles und dabei poetisches Motiv,
Kaum jemals hat der Meister etwas Herrlicheres geschaffen. Ein nicht
minder bedeutendes Werk ist die grosse Verklärung der Madonna in
der städtischen Galerie; weiter in SfGiov. Evangelista das Hochaltar-
bild der Madonna mit Johannes dem Täufer und dem Evangelisten,
S. Augustinus und Agnes, ebenfalls ein Werk von feierlich grossartigem
Aufbau, dessen Farbe jedoch gelitten hat. In einem andern Meister-
Werk derselben Kirche, einer Darstellung des Kindermords, zeigt sich
Moretto auch leidenschaftlichen Scenen gewachsen. Das Bild, welches
ebenfalls nicht unversehrt geblieben, verräth mehr als irgend ein anderes
eingehende Studien RafaePs. Zu den bedeutendsten Schöpfungen dieser
Epoche gehört sodann die Himmelfahrt der Madonna im Alten Dom,
wieder ein Werk voll inniger Empfindung und von mild gedämpftem,
dabei doch kraftvoll tiefem Kolorit, die Gruppe der Apostel voll_ freu-
diger Aufregung. Ungefähr um dieselbe Zeit entstand das edle Bild
der thronenden Madonna auf dem Hochaltar in S. Clemente mit dem
h. Clemens in prächtigem Bischofsornat und dem ritterlichen h. Florian,
gegenüber St. Dominikus und vor ihm knieend Katharina, welcher
andererseits Magdalena entspricht. Es ist wieder ein Bild voll Adel
und milder Harmonie, dabei von eigenthümlicher Anordnung, da die
Madonna innerhalb eines Säulenganges mit Balustrade hoch auf Wolken
thront und das Christkind darreicht. Allerliebste Engel schmücken den
Bau mit Kränzen und Guirlanden. Dieselbe Kirche, in welcher der
Meister sein Grab gefunden hat, besitzt noch mehrere seiner Werke.
Zunächst in der östlichen Seitenkapelle des nördlichen Nebenschiffs
Melchisedek, der dem Abraham Brod und Wein bringt, während oben
der Erlöser mit den Leidenswerkzeugen auf Wolken liegt, wieder eine
eigenthümliche hochpoetische Composition, ursprünglich gewiss vortreff-
lich, aber jetzt in der Farbenwirkung stark beeinträchtigt. Man erkennt
fast in allen Werken M0rett0's wie der Meister bestrebt war, aus dem
Herkömmlichen sich zu neuen Anschauungen und freier malerischer
Composition zu erheben; aber sein tiefes Gefühl behütet ihn vor dem
Stillosen und Naturalistischen, in welches manche seiner oberitalienischen
Zeitgenossen verfielen. In der zweiten Seitenkapelle derselben Kirche
sieht man sodann eine thronende Madonna zwischen den beiden überaus
anmuthigen Katharinen von Alexandria und von Siena, während unten
an der Stufe des Thrones Paulus und Hieronymus dargestellt sind, ein
leider ebenfalls stark mitgenommenes Werk. Von geringerer Art ist
in der dritten Kapelle die Tafel der h. Ursula mit ihren Gefährtinnen,