612
Buch
XIII.
Kapitel.
Maler des venezianischen
Die
Festlandes.
sich mit einer Bogenstellung auf mächtigen ionischen Marmorsäulen
gegen den grossen Hof öffnet. An der {lachen Decke des Spiegel-
gewölbes sieht man Apollo, der auf seinem mit drei prachtvollen
Schimmeln bespannten Wagen in stürmischer Eile dahinfährt. Er-
staunlich geschickt ist hier die Perspektive gehandhabt, so dass die
gewaltigen Rosse durch die Luft zu fliegen scheinen. Daneben sind
in zwei Seitenfeldern Gruppen von allegorischen Figuren angeordnet,
in sämmtlichen Stichkappen aber spielende Putti in reizvoller Mannichi
faltigkeit der Motive und Bewegungen gemalt. Neben diesen idealeren
Elementen verlangte aber auch die Wirklichkeit ihr Recht, und so
füllte der Künstler sämmtliche Lünetten mit heiteren Genrescenen,
indem er Gruppen von Musikanten, Schmausenden, halbbekleidete
Frauen, die, als wollten sie sich salviren, mit beiden Füssen über die
Gesimse herabklettern, mit einem kecken Üebermuth, der bis dicht
an die Grenze geht, darstellte. Daneben kommen aber auch Simson und
Delila, Judith und anderes Aehnliches vor. Das Ganze ist von festlich
reizvoller Wirkung, licht und warm gemalt, Wohl in Zeichnung und
Verkürzung hie und da etwas llunkernd, aber in der flotten Keckheit
doch anziehend. Es ist ein Abglanz italienischer Lebenslust der hohen
Renaissance, dicht an der Schwelle deutschen Landes.
Das letzte uns bekannte Werk des Künstlers ist die Bergpredigt
vom Jahr 1.557 in S. Pietro zu Modena, die schon ein Nachlassen
seiner Kräfte verräth. Von den bei den Venezianern beliebten einzelnen
Halbfiguren sieht man im Museum zu Berlin ein frühes Werk der
Judith mit dem abgeschlagenen Haupte des Holofernes, etwas geziert
und sentimental in der Auffassung, aber sorgfältig gemalt mit jenem
frischen schmelzenden Kolorit, welches an Palma erinnert. Dass R0-
manino auch als Bildnissmaler Tüchtiges leistete, beweisen zwei männ-
liche Brustbilder in der Galerie zu Brescia. Der Künstler starb 1566.
Neben ihm ist als bedeutendster Meister zu Brescia der treffliche
Alessandro Bonvicino zu nennen, allgemeiner bekannt unter dem Namen
Moretto, um 1498 in Rovato bei Brescia geboren. Er vor Allen ist
der Künstler, welcher die goldtönige venezianische Malerei in jenen
feinen Silberton umstimmte, der für die Schule von Brescia so be-
zeichnend ist. Einer der jüngsten unter den grossen Meistern der Zeit,
hält er mit treuer Gesinnung unentwegt an den kirchlichen Anschau-
ungen fest und giebt dem Altarbild noch einmal eine Ausprägung,
welche durch freie Grösse des Stils, hohen Adel der Gestalten, schlichte
Macht der Charaktere in der ganzen oberitalienischen Kunst nur in