Brescianer:
Girolanlo Romanino.
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grünen Teppich ausgespannt halten, während die Heil. Rochus und
Ludwig zu den Seiten stehen, erinnert an die herkömmliche vene-
zianische Auffassung, die hier in ziemlich freier Behandlung, Wenn
auch noch in etwas flüchtiger Zeichnung, mit grosser Kraft des Kolorits
sich geltend macht. Zu glänzender Wirkung erhebt sich seine Kunst
in der prächtigen Altartafel in S. Francesco zu Brescia, welche die
Jahrzahl1502 trägt, aber wahrscheinlich nur zur Bezeichnung des
Datums der Stiftung, da der Künstler erst später zu dieser Reife gelangt
ist. (Fig. 133.) Unter einem prächtigen Triumphbogen sitzt die thronende
Madonna, von Franziskus und Antonius, Bernardin, Ludwig, Bona-
ventura und noch einem h. Franziskanermönch verehrt, während hinter
ihr zwei tänzelnde Engelchen einen Teppich halten. Das Bild erinnert
im Aufbau und der Farbenpracht an die Schule Bellini's, während
man in der fast ekstatischen Bewegung einen Nachklang von Francia
und einen Vorboten Correggids zu erkennen vermeint. Von hinreissender
Wirkung ist die gewaltige Farbengluth und Leuchtkraft, welche durch
die tiefen und doch klaren Schattenmassen noch gehoben wird. Die
lebendigen Bewegungen und die energischen Charakterköpfe lassen den
etwas gleichgültigen Ausdruck der Madonna fast vergessen. Der
reich geschnitzte alte Rahmen erhöht noch den Effekt des Ganzen,
das sehr an Palma erinnert.
Bald nach Vollendung dieses Bildes brach die Katastrophe über
die unglückliche Stadt herein, die sich am 3. Februar 1512 gegen die
ihr aufgedrungene französische Besatzung erhob und dieselbe zum
Rückzug in die Citadelle zwang. Aber Gaston de Foix eilte von
Bologna herbei und eroberte in wüthendem Angriff die Stadt, die
einem furchtbaren Gemetzel und einer noch grauenhafteren dreitägigen
Plünderung preisgegeben wurde. Romanino war rechtzeitig diesen
Greueln entwichen und nach Padua gegangen, wo damals gerade
Tizian thätig war und der Prachtbau von S. Giustina sich erhob. Für
die Mönche dieses Klosters erhielt der Künstler 1513 den Auftrag,
die grosse Altar-tafel auszuführen, welche man jetzt in der Galerie
daselbst sieht und die den Namen des Meisters trägt: „Hieronimi
Romani de Brixia opus". Auch hier sieht man wieder die Madonna,
unter einem prachtvollen Triumphbogen thronend, von vier Heiligen
verehrt, während zwei Engelknaben, in keck tänzelnder Bewegung mit
einem Fass auf dem Throne stehend, sie eben bekrönen. Ein dritter
sitzt ihr zu F üssen und spielt das Tambourin. Es ist wieder ein sehr
bedeutendes Werk von prachtvoll frischen und leuchtenden Farben,
Lühke, Italien. Malerei. II.