Pordenone.
Friauler:
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dene mütterliche Gestalt, die liebevoll das Kind auf dem Arme hält,
welches mit der einen Hand nach dem Schleier der Mutter greift, mit
der andern nach der heil. Katharina langt, welcher der Kleine auch
das Köpfchen zuwendet. Diese Bewegung ist von ansprechender
Lebendigkeit, obwohl die entgegengesetzt ausgestreckten Arme kein
schönes Linienmotiv bilden. An der Katharina verräth sich der dem
Pordenone eigene etwas leere und gleichgültige Typus. Neben ihr
steht die derbe Figur Johannes des Taufers, gegenüber der greise
Petrus, und neben diesem ein Jüngling mit verwildertem Haar. Zu
den Füssen der Madonna spielt ein Engelknabe als himmlischer Page
in der Tracht der Zeit die Geige; eine Figur, von der mit Unrecht
(Crowe und Cavalcaselle) gesagt worden ist, sie sei das Vorbild des
musicirenden Engels auf Pellegrinds Tafel in Cividale, mit der sie
nichts gemein hat. Das Bild, Welches den Namen des Künstlers trägt,
ist durch die Gediegenheit der Ausführung in einem tiefen, kraftvollen,
warmen Kolorit und durch die lebendige Mannigfaltigkeit der Cha-
ractere ohne Frage eine der tüchtigsten Leistungen Pordenonds; aber
wenn er in natürlicher Begabung und technischem Geschick dem Pelle-
grino entschieden überlegen ist, so steht er ihm dafür eben so gewiss
in gemüthlicher Wärme und religiöser Innigkeit der Auffassung nach.
Von einer Üeberlegenheit Pordenone's „in jeder Hinsicht" kann also
nicht die Rede sein.
In den folgenden Jahren war er überall im Friaul durch be-
deutende Aufträge in Anspruch genommen; in Villanuova sind im
Chor von San Odorigo von den seit 1514 ausgeführten Fresken nur
noch die Propheten, Evangelisten und Kirchenvater am Gewölbe vor-
handen; 1515 malte er für Francesco di Tetio die noch im Dom zu
Pordenone auf ihrer alten Stelle befindliche Altartafel, welche die
Familie des Stifters im Schutz der Madonna darstellt, und für die er
47 Dukaten erhielt, eins seiner bestenlebensvollsten Werke von herr-
licher Farbenwirkung, auch durch eine schöne Landschaft an den
Einfluss Palmafs erinnernd. Eine flüchtige, aber geistvolle und an-
sprechende Improvisation ist sodann das Freskobild der Madonna,
welches er 1516 in der Halle des Stadthauses zu Udine ausführte;
trotz starker Zerstörung immer noch eine seiner anmuthigsten Ge-
stalten, das Kind mit herzlichem Aufblick zur Mutter, die Glieder
in geschicktem Linienzug mit meisterlichen Verkürzungen behandelt,
wie denn auch hier wieder ein gewisses bravourmässiges perspectivi-
sches Spiel sein Hauptaugenmerk bildet. In demselben Jahre malte