594
Buch.
Kapitel.
XIII.
Maler
Die
venezianischen
des
Festlandes.
entwürdigt hat. Vielleicht noch unangenehmer fallt die kolossale, ganz
in den Vordergrund gerückte Figur eines ebenfalls die Rückseite bie-
tenden am Boden knieenden Mannes auf, der in starker Verkürzung
mit den straff gespannten Hosen an dieser Stelle wahrhaft abscheulich
wirkt. Auch bei Gaudenzio fanden wir ja einzelne Geschmacklosig-
keiten, aber nichts von so tiefer Rohheit der Empfindung; ausserdem
wurde dort dergleichen durch die Stärke und die warme Innigkeit des
religiösen Gefühls aufgehoben, während bei Pordenone solche Züge
der eigentliche Ausdruck seiner inneren Gleichgültigkeit sind. So
kommt es, dass er, obwohl an Begabung und Geschick dem Pellegrino
überlegen, dennoch an geistigem Gehalt ihm untergeordnet bleibt.
Dieyrechte Chorwand erhielt sodann im Bogenfelde eine fast ganz
zerstörte Darstellung Christi in der Vorhölle. Darunter an der Wand
sieht man zur Rechten Zacharias, der den Namen des neugeborenen
Kindes schreibt, Welches von einer Magd im Geleit hübscher Frauen
herbeigebracht wird. Zacharias sitzt vor einer reich dekorirten Halle
am Tisch, neben ihm steht ein Mann im Turban und ein Page in der
bunten Tracht der Zeit. Die ganze. Scene ist voll Anmuth, einfach
und klar componirt, flüssig gemalt in einem Stile, welcher sichtlich
die Einiiüsse Giorgione's und Palma's verräth. Daneben, rechts vom
Fenster, die Heimsuchung, noch ausdrucksvoller und anziehender, drei
schön empfundene Gestalten in einer Landschaft, vor einer ionischen
Saulenhalle; besonders fessehld die prächtig gemalte Gestalt der heil.
Elisabeth; minder bedeutend, aber doch freundlich, die Madonna, von
frischer Anmuth die im Profil gesehene Begleiterin. Der Künstler,
der sonst bei bedeutenderen Vorgängen geringe geistige Tiefe, Mangel-
haftigkeit der Anordnung und selbst starke Geschmacklosigkeit zeigt,
verräth hier bei schlichtercn Aufgaben ansprechendes Lebensgefühl und
zugleich eine freiere Entwicklung seines malerischen Stils. Es hat viel
Wahrscheinliches, dass die oben erwähnten Unruhen, welche seit 1507
das Friaul heimsuchten, auch Pordenone zeitweise vertrieben haben,
so dass der Abschluss dieser Arbeiten erst um 1513 erfolgt sein mag.
Jedenfalls bezeugen sie, dass der Künstler inzwischen Venedig besucht
und von dem bedeutenden Umschwung der dortigen Malerei durch
Giorgione und Palma stark berührt worden ist.
Noch deutlicher erkennt man diess an dem treiflichen Altarbild
in der Pfarrkirche zu Susigana, einem kleinen, am Fuss des Hügels
von Colalto gelegenen Dorfe. Man sieht die Madonna in einer antiken
Ruine mit halbzerstörtem Kuppeldach sitzen, eine recht edel empfun-