Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

592 
Buch. 
XIII. 
Kapitel. 
venezianischen Festlandes. 
des 
Maler 
Die 
lerische Ausbildung erhalten zu haben; in der Folge hat er sich jeden- 
falls in Venedig und wohl auch weiter in Oberitalien umgesehen. 
Während einer Epidemie soll er sodann in seiner Jugend auf dem 
Lande an verschiedenen Stellen Fresken ausgeführt haben, wovon man 
noch Reste in der Kirche zu Vacile bei Pordenone nachweisen zu 
können glaubt. Ein sicheres Werk seiner früheren Zeit sind dieaus- 
gedehnten Fresken in der Kapelle S. Salvatore auf dem Schloss zu 
Colalto. Der umfangreiche Bau dieses mittelalterlichen Kastells er- 
hebt sich etwa eine Meile von Conegliano auf dem letzten steil ab- 
fallenden Ausläufer der venezianischen Alpenkette, nach Süden und 
Osten einen unbegrenzten Blick über die herrliche, reich angebaute 
Ebene, nach Westen und Norden über die prächtigen Gebirgshäupter 
gewährend. Die Kapelle S. Salvatore ist ein kleiner einschiffiger go- 
thischer Bau, den ein halbrundes Tonnengewölbe bedeckt, während der 
rechtwinklig geschlossene Chor, durch Pilaster vom Schiff getrennt, 
ein Kreuzgewölbe zeigt. Hier hatte ein bedeutender Künstler der 
gothischen Epoche nicht bloss „an der Decke und der linken Wand des 
Hauptschiifes" wie Crowe und Cav. angeben (es existirt übrigens kein 
Seitenschiif, also auch kein Hauptschiff), sondern an der südlichen 
Wand des Schiffes, sowie an den Gewölben desselben und an der west- 
lichen Wand einen Cyclus von noch wohlerhaltenen Fresken geschaffen, 
welche zu den wichtigsten mittelalterlichen Werken Oberitaliens ge- 
hören, da sie in der Entwickelung etwa neben Altichiero und Avanzo 
stehen. Pordenone scheint gegen Ende des 15. Jahrhunderts den Auf- 
trag erhalten zu haben, den Cyclus zu vollenden. Er begann an der 
nördlichen Schiffwand mit der grossen figurenreichen Anbetung der 
Könige. Ueberfüllt mit Gestalten im bunten Zeitkostüm, namentlich 
auch mit Reitern, deren Pferde ziemlich mangelhaft gezeichnet sind, 
erinnert das Bild mit diesen naiven volksthümlichen Zügen an die 
Art, wie Gaudenzio solche Scenen auffasst. Die Composition ist sicht- 
lich mit Rücksicht darauf durchgeführt, denn die heil. Familie ist, 
wie schon Gentile da Fabriano es liebte, ganz in die linke Ecke ge- 
drängt, um recht viele Figuren anbringen zu können, dadurch aber 
in der Bedeutung erheblich abgeschwächt. Die Madonna blickt wie 
verstohlen seitwärts, die Bewegung des halbzerstörten Kindes ist aller- 
liebst naiv und lebendig; die Könige tragen grosse Turbane; im Gefolge 
bemerkt man tüchtige Porträts, Alles in goldig klarem Kolorit aus- 
geführt. Ein Page, der sich vom Pferde herabbeugt, um am Steig- 
bügel etwas zu ordnen, bezeugt schon hier den kecken Sinn für
	        
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