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Buch.
Kapitel.
Lionardo
Vinci.
ihm seine Brust öffnete, in welcher man lauter Lilien erblickte. Ebenso
hatte er ein Fest in- der Familie San Severino durch eine Darstellung
zum Preise der Geduld und der Arbeit verherrlicht. Auch bei der
Hochzeit des Moro mit Beatrice d'Este trug er zum Glanz der Feier
bei, ordnete die Dekoration des Schlosses an und machte den Entwurf
zu einem Badehause für die Herzogin. Noch wichtiger wurde sein
Rath bei den zahlreichen Anlagen von Kanälen und W asserwerken.
Wir besitzen noch eine Denkschrift des Künstlers an Lodovico
Sforza, in welcher er, wahrscheinlich auf vorhergegangene mündliche
Verhandlungen Bezug nehmend, dem Herzog seine Dienste anbietet.
Unter den dort erwähnten Punkten stehen seine Erfahrungen in den
Kriegswissenschaften in erster Linie. Er erbietet sich, leichte trans-
portable Brücken anzufertigen, die gegen Feuer gesichert seien, sowie
er Mittel verspricht, die Brücken der Feinde in Brand zu stecken
und zu zerstören; weiterhin bei Belagerungen das Wasser der Gräben
abzuleiten, Sturmleitern und ähnliche Maschinen herzustellen, besondere
Mittel zur Zerstörung feindlicher Befestigungen anzugeben, eine Art
tragbarer explodirender Bomben anzufertigen, unterirdische Gange und
Minen anzulegen, Streitwagen und verschiedenes Feldgeschütz, Schleu-
dern, Ballisten, Steinwurfmaschinen und andre ähnliche Instrumente zu
fertigen, auch für den Seekrieg wichtige Hülfsmittel zum Angriff wie
zur Vertheidigung anzugeben. Erst am Schlüsse gedenkt er in folgen-
den Satzen seiner künstlerischen Fähigkeit: „ln Friedenszeiten glaube
ich in Vergleich mit jedem Andern sehr gut in der Baukunst Genüge
zu leisten sowohl in der Errichtung von öffentlichen und Privatgebauden
als auch in der Leitung des Wassers von einem Orte zum andern.
Item Werde ich in der Marmor, Bronze- und Thonsculptur arbeiten
und ebenso in der Malerei Alles leisten, was irgend in Vergleich mit
jedem Andern geleistet werden kann. Ausserdem werde ich auf das
Bronzepferd meine Arbeit verwenden können, welches ein unsterblicher
Ruhm und ewiges Ehrendenkmal des gesegneten Angedenkens eures
Herrn Vaters und des berühmten Hauses Sforza sein wird."
Man sieht, worauf es einem damaligen Gewaltherrscher am meisten
ankommen musste, und wie der Ruhm der mechanischen Studien Lio-
nard0's hauptsächlich für Kriegszwecke den Herzog zugleich auf diesen
aufmerksam gemacht haben mochte. Das erwähnte Bronzepferd war
das kolossale Reiterbild des Francesco Sforza, an welchem er sechzehn
Jahre gearbeitet haben soll, da er es zweimal ausgeführt hat. Das
erste Modell scheint 1490 fertig gewesen zu sein; das zweite, in einer