Dreizehntes
Kapitel.
Die
Maler
des
venezianischen
Festlandes.
Hatte in der früheren Epoche die strenge paduanische Kunst
das Gesammtgebiet Oberitaliens beherrscht, so war es bei der glän-
zenden Entfaltung der Malerei Venedigs naturgemäss, dass mit dem
16. Jahrhundert ein Umschwung eintrat und dass die Principien und
die Vorbilder Giorgionds, Palma's und Tizian's alsbald alle benach-
barten Städte unaufhaltsam zur Nachfolge hinrissen. Wir beginnen
die Uebersicht mit den Künstlern von Veronali), die freilich mehr
durch politischen als durch stilistischen Zusammenhang hieher gehören.
Es ist in der That eine kulturgeschichtlich merkwürdige Erscheinung,
dass Verona, obwohl schon seit 1405 den Venezianern unterworfen,
in der Entwicklung seiner Kunst sich dem Einfluss Venedig's lange
hartnäckig entzieht, während viel ferner gelegene Städte wie Bergamo
und Brescia sich völlig an die venezianische Malerei anlehnten. Hatte
schon im Ausgang des 15. Jahrhunderts die Malerei zu Verona sich
der mächtigen Einwirkung Mantegna's unterworfen, wozu für das"
Kolorit noch das Beispiel Montagnafs hinzukam, so blieb bis in's
16. Jahrhundert hinein diese Stilentwicklung hier die herrschende.
Erst im weiteren Verlauf macht sich die veronesische Kunst von jener
strengeren Formgebung frei und gewinnt, nicht ohne Einwirkung des
Rafaelischen Stiles, eine höhere Vollendung, freieren Schwung der
Gewänder, Adel und Anmuth der Köpfe, Geschmeidigkeit der Farben-
behandlung. Erst mit Torbido dringt die entschiedene venezianische
Richtung ein und erreicht dann in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts
durch Paolo Veronese die Höhe freier Selbstherrlichkeit.
Unter den Künstlern, die aus der altern Richtung hervorwachsen,
ist der berühmte Baumeister Giov. Maria Falconetto (1458-1534) in
erster Linie zu nennen. Er war einer der begeistertsten Verehrer des
ß) Studj sopra 1a stor. della pitt. Ital. e della Scuola pittorica Verongse del
Dott. Cesare Bernasconi. Verona 1864. 8. Crowe und Cavalcaselle, North Italy
T. I, in Jordawfs Uebertragung Bd. V, Kap. 19, 20.