Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

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III. 
Buch  
XII. 
Kapitel. 
Venezianer. 
Die 
die Türken siegreich bekämpfte und den wir als Siegiiehenden schon 
auf dem Bilde zu Antwerpen trafen. Ihm gilt zunächst die Aufmerk- 
samkeit der Madonna, die hoch vom Altar herab sich ihm huldreieh 
entgegen neigt; ihm auch der wohlwollende Blick des heiligen Petrus, 
der für einen Moment sogar sein aufgeschlagenes Gebetbuch vergisst. 
Indess sucht ein anderer Heiliger, S. Antonius von Padua, 
Wenigstens die Aufmerksamkeit des kleinen reizenden Christuskindes 
auf die rechts knieende Gruppe von fünf Mitgliedern der Familie Pesaro 
zu lenken. Der Kleine hebt denn auch den Schleier der Mutter von 
seinem Köpfchen, um besser zu sehen, und will schon mit lustig auf- 
gehobenem Fusse zu den ernsten ehrenfesten Männern herabschreiten, 
die so treuherzig den Thron umringen und zum Gebet die Hände 
falten. Gewiss wackere Staatsmänner, Generale und Prokuratoren von 
S. Marco, deren die Familie im Laufe des sechzehnten Jahrhunderts 
manche in ihren Reihen zählte. Mitten unter diesen markigen, scharf 
ausgeprägten Köpfen blickt ein jugendlich weicher, zarter Knabenkopf 
heraus. Es ist ein junger Sohn des edlen Hauses, das zeigt die Aehn- 
liehkeit der Züge, der hohen Stirn, der leise gebogenen Nase, des 
feinen Mundes. Das Leben hat noch keine Linie in diese weichen, 
unberührten Formen gezogen; der Knabe wendet sich nicht dem all- 
gemeinen Gcgenstande der Andacht zu.  Sein Blick geht seine eigenen 
Wege. Er ruhte gewiss, während er gemalt wurde, auf den Zügen 
des Meisters, der dies Wunderwerk mit einer Begeisterung geschaffen, 
die in jedem Zuge des köstlichen Bildes lebt, von der holden jugend- 
lichen Gestalt bis zu den reizenden Engeln, die hoch auf luftigem 
Gewölk sich mit einem grossen Kreuze schleppen. Es ist das Symbol 
des Sieges über die Ungläubigen, hier vonider freien Kunst des Malers 
zu einem Anlass liebenswürdig heiteren Kinderspieles gewendet. Von 
der Pracht der Anordnung, der Herrlichkeit der malerischen Wirkung, 
dem freien, leichten Aufbau, dem wunderbaren Glanz der Farben zu 
sprechen ist müssig. Genug, dass es unter den Meisterwerken Tizian's 
eins der schönsten ist und eins von jenen, die seine Kunst auf der 
Höhe reifer Vollendung zeigen. 
Kurz zuvor hatte Tizian für den päpstlichen Legaten Averoldo 
ein grosses Altarwerk in fünf Theilen vollendet, welches sich auf dem 
Hochaltar von S. Nazaro e Celso zu Brescia befindet und den Namen 
des Meisters sowie die Jahrzahl 1522 trägt. Die Mitteltafel enthält 
die Himmelfahrt Christi; auf den Seitenfeldern sieht man den knieenden, 
von den Heil. Nazarus und Celsus empfohlenen Stifter, gegenüber den
	        
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