Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

Tizian. 
Grablegllllß- 
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Brust. Die übrigen stufen sich in entsprechenden Graden des Antheils 
mit charakteristischer Mannichfaltigkeit ab. Mit wenigen Ausnahmen 
sind diese Ausbrüche höchster Begeisterung ungezwungen und großs- 
artig schön entwickelt. Durch den ganzen mächtigen Zug der Empfin- 
dung aber, der Alle erfüllt, hat der Künstler weise die untere Gruppe 
mit der obern verbunden. 
Von der Ausführung ist zu sagen, dass sie alle Vorzüge Tizia- 
nischer Kunst im höchsten Maasse vereint. Die Gluth und feurige 
Kraft der Farbe wird durch ein fein abgewogenes Helldunkel und 
durch zarte Mitteltöne zu harmonischem Schmelz verbunden. Nie 
vielleicht, selbst bei Tizian, hat die Farbe wieder eine solche Jubel- 
symphonie himmlischer Herrlichkeit angestimmt. Die etwas zu derbe 
Wirkung der unteren Gestalten war offenbar mit weiser Ueberlegung 
für den hohen und fernen ursprünglichen Standpunkt berechnet. 
Unmittelbar nach diesem Hauptwerke (1519) schuf der Meister 
das herrliche Altarbild der Verkündigung für die zu gleicher Zeit von 
Pordenone ßmit Fresken geschmückte Malchiostrokapelle im Dom zu 
Trevilso (nicht in S. Niccolo, wie in Cr. und Cav. englischer und 
deutscher Ausgabe zu lesen). Es ist ein herrliches Werk, welches die 
Madonna mit demselben grossartig ernsten, weihevollen Antlitz zeigt, 
wie auf der Assunta. Auch ihre Hände sind wundervoll in Form, 
Modellirung und Bewegung. Der Engel, ein naiver Knabe, stürzt 
eilfertig in grosser Hast herbei. Die Ausführung ist von grösster Ge- 
diegenheit, -die Modellirung voll, weich und kräftig in glühenden Tönen. 
Wenige Jahre nach diesen edlen Werken entstand eine nicht 
minder bedeutende Schöpfung, in welcher Tizian bewies, dass der 
Ausdruck ergreifenden Seelenleidens ihm in höchstem Grade zu Ge- 
bote stand. Es ist die Grablegung Christi, die mit Recht unter die 
kleine Auswahl der köstlichsten Werke aufgenommen wurde, welche 
den Salon quarre der Gemäldegalerie des Louvre schmücken. Das 
Bild gehörte ursprünglich zur Sammlung des Herzogs von Mantua, 
für welchen Tizian viele treifliche Werke ausgeführt hat. Von dort 
kam es in die berühmte Sammlung Karls I. von England, wurde nach 
dem Tode des unglücklichen Königs von dem als Kunstliebhaber be- 
kannten Kölner Banquier Jabach um 120 Pfund Sterling erstanden 
und dann für Louis XIV. angekauft. Eine Wiederholung derselben 
Composition, aber nicht von des Meisters Händen, ündet sich im Palazzo 
Manfrin zu Venedig.  
Der Leichnam Christi wird, halb vom Bahrtuch umhüllt, am
	        
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