Tizian.
Christus
dem
mit
Zinsgroschen.
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die sich jetzt in der Sacristei der Salute befindet. Kurz zuvor,
während er in Padua arbeitete, war Giorgione aus dem Leben ge-
schieden; aber in dem edlen Werke Tizian's erkennt man noch den
nachwirkenden Einfluss jenes Meisters. In feierlicher Würde ist der
Heilige thronend dargestellt, in gebieterischer Hoheit zeichnet sich der
geistvolle Kopf, über welchen sich ein klares Helldunkel breitet. Die
Composition verräth den vollständigen Bruch mit der architektonischen
Anordnung der älteren Schule zu Gunsten einer völlig freien malerischen
Gruppirung. Zu den Stufen des Thrones stehen der h. Rochus, der
Schutzpatron gegen die Pest, und der feine jugendliche Sebastian, in
dessen Kopf sich nervöse Erregbarkeit ausspricht, dabei die h. Aerzte
Cosmas und Damianus. Die vornehme Schönheit der Gestalten, der
geistige Adel des Ausdrucks und das wunderbar saftige Colorit, das
aus energischen wenig gebrochenen frischen Farben zusammen gewebt
ist, die durch ein herrliches Helldunkel harmonisch verschmolzen wer-
den, das alles athmet hier die Gluth jugendlicher Schöpferkraft. Einen
anziehenden Vergleich bieten die ebendort befindlichen, aus derselben
Kirche stammenden, aber etwa dreissig Jahre später gemalten Decken-
bilder, welche Kain und Abel, Abraham's Opfer, David und Groliath
darstellen, Werke von grossartig gesteigertem dramatischem Ausdruck,
kühner Freiheit der Bewegungen und gluthvoller, lebenstrahlender Kraft
des Kolorits.
Bald darauf gelang es Tizian, den ersehnten Auftrag für den
Rathssaal und die feste Staatsanstellung mit dem Maklerpatent für das
Kaufhaus der Deutschen zu erlangen. In diese Zeit fallen nun auch,
etwa seit 1514, seine Beziehungen zum Herzog von Ferrara, für welchen
er zunächst das unvollendet gebliebene BacchanalGiovanni Bellinfs,
welches sich jetzt auf Schloss Alnwick in England befindet, vollenden
musste. In der T-hat erinnert die Landschaft in ihren grossartigen
Formen an die Heimath des Künstlers. Für Herzog Alfonso malte
er auch den Christus mit dem Zinsgroschen, welchen man in der
Galerie zu Dresden bewundert.- Unter den Schätzen jener Sammlung
nimmt dies kleine Bild, von den Italienern "Cristo della moneta" ge-
nannt, eine der ersten Stellen ein. Es kam 1'746 durch den Ankauf
einer Anzahl von hundert Bildern aus der Sammlung des Herzogs
Franz von Este-Modena mit einer Reihe anderer Meisterwerke der
italienischen Kunst nach Dresden. Vasari erwähnt dasselbe ausdrück-
lich und berichtet, dass der Meister um 1514, wo er in Ferrara für
Herzog Alfons von Este mehrfach thatig war, es daselbst gemalt habe.