Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

Zeichnungen 
Lionardds. 
wie in dem herrlichen in Bister auf grauem Papier ausgeführten jugend- 
lichen Frauenkopf (131429) erhebt sich der Künstler zu der holdesten 
Süssigkeit, die Wiederum durch das bei ihm beliebte Motiv der nieder- 
geschlagenen Augen jenes räthselvoll Verschleierte erhält, das Lionardo's 
F rauenbildnissen fast durchgängig eigen ist. Hier hat er ausserdem 
durch reiche Anordnung der in langen Ringeln herabfallenden Locken, 
die durch ein Geflecht von Bändern und ein Diadem mit Perlen noch 
zierlicher werden, sich als den ächten Schüler jener Goldschmied-Maler 
erwiesen, die im köstlichsten Schmuck und der zartesten Ausführung 
wetteiferten. Aber er ist ihnen allen in einer fast unglaublichen Fein- 
heit der Zeichnung und Modellirung so Weit überlegen, dass nur etwa 
ein hlantegna und Dürer damit wetteifern könnte, obwohl er beide 
wieder an weichem Schmelz der Modellirung übertrifft. In anderen 
Fallen, wie in dem köstlichen Frauenkopf derselben Sammlung (Br. 435) 
behandelt er das Haar nur andeutend, um die ganze Sorgfalt auf Aus- 
führung des Gesichts zu verwenden. Die Zeichnung ist hier, wie so 
oft bei ihm, mit Kreide auf grünem Papier entworfen, wobei dann 
bewundernswürdig ist, wie er mit blossen schräg geführten Parallel- 
strichen das feinste Leben und die zartesten Üebergange der Form bis 
in die tiefsten von Reflexen belebten Schatten auszudrücken weiss. 
Hier erkennt man die Richtung des grossen Künstlers, der nicht bloss 
den anatomischen Bau der Gestalt, sondern auch das wunderbare Leben 
der Form im Licht wiedergiebt. Auch hier ist der Blick gesenkt, und 
die Mundwinkel umspielt bereits das rathselvolle und bewusste Lächeln, 
welches den Gestalten Lionardds im Gegensatz zu der Unbefangenheit 
der früheren Kunst das Gepräge absichtsvoller Erscheinung aufdrückt. 
WVerke dieser Haltung wird man unbedenklich der reiferen Zeit des 
Meisters zuweisen müssen. Ganz in derselben Weise ist ein mann- 
licher Studienkopf des Louvre (Br. 169) behandelt, dessen gfobknochige 
durchfurchte Züge zugleich gewaltig und bestimmt und doch wieder 
voll malerischer Weichheit vor uns liintreten. 
Dass Lionardo sich mit beiden Händen gleichmassig geübt hatte, 
erkennt man aus manchen Zeichnungen, in welchen die Strichlagen 
offenbar mit der Linken statt mit der Rechten geführt sind. So u. A. 
an einem Petrus in der Albertina (Br. 94), der in die Zeit der Studien 
für das Abendmahl fällt; ferner an zahlreichen Zeichnungen zu WVind- 
sor; endlich an einem Frauenkopf im Louvre (Br. 168), der wieder 
den gesenkten Blick und die geneigte Haltung des Kopfes zeigt, aber 
nichts von dem absichtsvollen Lächeln des Mundes. Auch von seinen
	        
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