Tizian.
Staatsanstellung.
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noch „der beste in der Malerei" genannt wird. Hätte damals Tizian
schon als bedeutender Meister gegolten, so dürfte dies schwerlich der
scharfen Beobachtungsgabe Dürer's entgangen sein. Erst 1507 mit
dem bereits erwähnten ersten öffentlichen Auftrage für die Kaufhalle
der Deutschen scheint Tizian selbständig hervorgetreten zu sein und
bald seine Mitstrebenden in Schatten gestellt zu haben. Aber schon
in einer unterm 31. Mai 1513 an den Senat von Venedig gerichteten
Bittschrift kann er sich darauf berufen, dass er mehrmals von Papst
Leo X. und anderen Herren aufgefordert worden sei, in ihre Dienste
zu treten, dass er aber aus Liebe zu seiner selbstgewählten Heimath-
stadt vorgezogen habe, in Venedig zu bleiben. Er knüpft daran die
Bitte, ihn im Saale des grossen Rathes malen zu lassen, und verspricht
all sein Talent und seinen Geist darauf zu verwenden und mit dem
Schlachtbilde auf der Seite nach dem Platze hin zu beginnen, welches,
wie er nicht ohne Selbstgefühl hinzusetzt, „das schwierigste ist, ein
Unternehmen, dem sich bisher noch kein Mensch hat unterziehen wollen."
Dafür aber bittet er, ihm das Amt des Maklers (die nsanseria") im
Kaufhause der Deutschen zu verleihen. Dies war ein Ehrenamt, welches
die Herren von Venedig jedesmal dem ausgezeichnetsten Maler der
Stadt zuertheilten, und mit welchem eine Jahreseinnahme von 120 Du-
katen und die Verpflichtung, den jedesmaligen Dogen für den Preis
von acht Scudi zu malen, verbunden war. Damals besass Giovanni
Bellini noch jenes Amt; gleichwohl beschloss der Rath am 28. November
1514 bereits, dass Tizian seiner Zeit die Anwartschaft darauf geltend
machen dürfe. Solches geschah denn auch in einem Briefe des Meisters,
in welchem er sich erbietet, das im Saale des grossen Rathes von Pietro
Perugino begonnene Wandbild der Begegnung Kaiser Friedrichs des
Rothbarts mit dem Papst Alexander HI. zu Venedig um die Hälfte
des von jenem geforderten Preises von 800 Dukaten zu malen, wogegen
er sein Anrecht auf die Sanseria geltend macht. In einem Erlass vom
28. Januar 1515 wurden ihm statt der 400 Dukaten freilich nur 300
zugestanden, die Anwartschaft auf das Makleramt dagegen bestätigt,
und als Bellini am 29. November 1516 gestorben war, erhielt Tizian
durch einen Senatsbeschluss vom 5. December desselben Jahres die Stelle.
Man erkennt aus diesen Verhandlungen deutlich die Geltung
Tizian's, der offenbar schon damals als der erste Meister der Malerei
in Venedig betrachtet wurde. Um dieselbe Zeit sehen wir ihn denn
auch für auswärtige Fürsten vielfach thätig. Für Herzog Alfonso von
Ferrara namentlich malte er mehrere mythologische Bilder, ferner den