Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

500 
Buch. 
Kapitel. 
XII. 
Venezianer. 
Die 
trotz mancher Entstellung doch durch die einfache vornehme Grösse 
der Auffassung an Giorgione erinnert. Dasselbe möchte man von dem 
Doppelporträt zweier Männer im Museum zu Berlin sagen, obwohl 
die Malerei so stark gelitten hat, dass ein Urtheil nicht mehr möglich 
ist. Auch das männliche Brustbild der Pinakothek zu München Nr. 582 
in seiner scharfen und feurigen Auffassung und der kühnen Breite der 
Behandlung darf vielleicht ihm zugeschrieben werden; noch entschie- 
dener aber das herrliche männliche Brustbild in der Galerie zu Rovigo, 
das durchaus den kühnen grossartigen Stil des Meisters athmet. 
Von den Schülern Giorgionds haben wir den bedeutendsten, 
Sebastian del Piombo, schon genannt; der Einfluss der freien bahn- 
brechenden Kunst des grossen Meisters lässt sich aber fast bei allen 
Zeitgenossen spüren, denn keiner vermochte sich dieser unwidersteh- 
lichen Wirkung zu entziehen. Dasselbe gilt auch von einem der treff- 
lichsten Mitstrebenden, der ebenfalls ursprünglich durch Giovanni Bellini 
gebildet wurde und sich bald neben Giorgione und Tizian zu selb- 
ständiger Bedeutung aufschwang. Es ist Palma Vecchio, von dessen 
Lebensumständen wir freilich weniger wissen als von irgend einem 
seiner Zeitgenossen. Es scheint, dass er um 1480 geboren ward und 
1528 bereits gestorben ist. Seine Heimath war der kleine Flecken 
Serina bei Bergamo, aber er muss schon früh nach Venedig gekommen 
sein und neben Bellini den Einfluss Cima's und Carpaccids erfahren 
haben. Die leuchtende Schönheit seines Kolorits, der Reichthum der 
Lokaltöne, die durch ein feines Helldunkel harmonisch zusammenge- 
stimmt werden, deutet darauf, dass die Fortschritte Giorgionds nicht 
unbemerkt an ihm vorübergingen; aber der wunderbare Duft und 
Schmelz blühender Carnation, die üppige Weichheit der vollwangigen 
Frauenköpfe mit ihrer vornehmen Passivität und der unbändig reichen 
Fluth ihres blonden Lockenhaares, das die stolzen Formen mächtig 
umwogt, sind ganz ihm eigen. An Stelle der strengen herben Grösse 
Giorgi0ne's tritt bei ihm eine milde Weichheit des Sinnes, die in ruhigen 
wohlabgewogenen Compositionen kirchlichen Inhalts hauptsächlich sich 
ausspricht; aber nach dem Vorgang Giorgionds setzt auch er am 
liebsten statt des feierlich aufgebauten Andachtsbildes die Gestalten mit- 
ten in eine schöne Landschaft. Er vor Allem hat dann diese idyllische 
Form des Familienbildes zu einer eigenthümlichen Ausbildung gebracht. 
Von seinen äusseren Lebensverhältnissen wissen wir nur, dass er bei 
den vornehmen Familien der Cornaro und Priuli in hohem Ansehen 
stand und in ihren Palästen nicht bloss arbeitete, sondern auch dauernde
	        
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