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Buch.
Kapitel.
Venezianer.
Concert der Galerie Pitti. (Fig. 116.) In der Mitte des Bildes Sehen
wir einen Augustinermönch eben einen Accord auf dem Spinett an-
schlagen und sich wie fragend nach einem altern Geistlichen umwenden,
der mit der Laute hinter ihm steht und liebevoll zustimmend seine
rechte Hand auf die Schulter des Spielenden legt, den er zugleich mit
herzlichem Ausdruck anblickt. Auf der andern Seite sieht man einen
edlen Jüngling in vornehmem Zeitkostiim mit lang herabwallenden
Locken und stattlichem Federbusch auf dem Barett, ebenfalls sinnend
den Klängen lauschen. Wenn auf dem Concert im Louvre die Macht
der Musik über einfache Naturwesen im Bunde mit dem Reiz land-
schaftlicher Umgebung geschildert wird, so drückt sich hier die weihe-
volle Sammlung ernster hochgebildeter Männer beim Genuss edelster
Töne nicht minder stimmungsvoll aus. Man könnte beide Bilder recht
wohl als heilige und profane Musik erklären. In der seelenvollen Fein-
heit der Charakteristik, in schärfster Prägnanz der Auffassung, end-
lieh in Klarheit, Kraft und Gluth eines tief leuchtenden Kolorits be-
hauptet das Bild vielleicht den höchsten Rang unter den Meisterwerken
des Künstlers. Eine alte Kopie im Palazzo Doria zu Rom wird dort
Wunderlicherweise als Porträt Luther's, Melanehthonhs und der Kathar
rina von Bora bezeichnet. Ein anderes Werk, das in mehreren Kopieen
vorhanden ist, stellt wieder im Brustbild einen jungen Ritter dar, welcher
eine ohnmachtige Dame in den Armen auffangt. Das schönste Exem-
plar scheint das im Buckinghampalast zu London zu sein. Wieder
ein anderes Thema ist der Ritter, welchem ein Knappe das Gewand
befestigt; ein Motiv, von dessen Beliebtheit ebenfalls mehrere alte Wieder-
holungen zeugen; die beste im Belvedere zu Wien, eine andere, durch
Üebermalung völlig verdorbene im Museum zu Stuttgart. Die Wiener
Sammlung besitzt sodann auch das überaus anziehende Bild eines mit
Weinlaub bekränzten jungen Mannes, der von einem Banditen mit dem
Dolch überfallen wird. Man braucht bei diesem Werke gewiss nicht
auf antike Schriftquellen zurückzuweisen, da das italienische Leben
jener Zeit das Thema meuchlerischer Ueberfällle reichlich an die Hand
gab. Die Plötzlichkeit und Vehemenz des Anfalles ist meisterlich ge-
schildert, die Darstellung hat etwas Geheimnissvolles und erscheint so
bedeutend, dass der neuerdings ausgesprochene Zweifel an der Urheber-
schaft Giorgione's uns unberechtigt dünkt.
In dieselbe Reihenfolge gehört ein anderes Thema, welches in
der Regel als Saul und David mit dem Haupte des Goliath bezeichnet
wird. Von dieser Darstellung sind uns nur mehr oder minder gute