496
Buch.
Kapitel.
XII.
Venezianer.
von diesem Bilde hat behaupten können, dass es nahe an's Lüsterne
streife und sich in einem vadamitischen Behagen von leidlich grober
Art" gefalle, ist kaum zu begreifen. Wir wollen zugeben, dass beide
Frauengestalten schwerfallig breite Formen zeigen; aber ganz derselbe
Wuchs begegnete uns auf dem eben besprochenen Bilde, und man darf
sagen, dass diese kurzen stämmigen Frauengestalten bei der älteren
venezianischen Schule durchweg beliebt sind. Wir wollen nur an die
Katharina Cornaro und ihr Gefolge auf dem Bilde Gentile Bellini's
erinnern. Wir finden in der Auffassung dieses Concerts nur den hei-
teren poetischen Zug unbefangener Weltfreude im Genuss der Natur
und der Geselligkeit, gewürzt durch den Zauber der Musik, und wir
meinen, dass es den Geist jener Epoche schwer verkennen heisst, in
solchen Darstellungen etwas Lüsternes zu wittern. Das Bild, das in
einem strengen gluthvollen Kolorit mit dem Zauber eines leuchtenden
Helldunkels durchgeführt ist, erhält vollends durch die köstliche Land-
schaft das Gepräge einer poetischen Idylle. Wer es mit dem bekannten
Concert der Galerie Pitti vergleichen und aus der Verschiedenheit bei-
der Darstellungen einen Grund zu seiner Zurückweisung schöpfen will,
der verkennt die Berechtigung der beiden so ganz verschiedenen Auf-
gaben, die sich der Künstler gestellt hat.
Ein drittes Werk dieser frei poetischen Gattung ist das merk-
würdige Bild im Belvedere zu Wien, welches unter dem Namen der
drei Astrologen bekannt ist. (Fig.115.) In einer Landschaft voll tiefer
Waldeinsamkeit sieht man drei Männer in orientalischer Tracht mit
astronomischen Instrumenten ausgestattet. Der älteste, eine majestätische
Gestalt in wallendem Bart, hält Zirkel und Himmelskarte in der Hand
und scheint in Unterredung mit einem stattlichen Mann, der auf ihn
zuschreitet, während der Dritte, ein von jugendlichem Eifer glühender
Jüngling, am Boden sitzt mit Zirkel und Quadrant, um die untergehende
Sonne zu beobachten. Ein zauberhaftes Dämmerlicht des hereinbrechen-
den Abends liegt über der Landschaft ausgegossen und verleiht der
Darstellung einen geheimnissvollen Zauber, der durch die energische
Schärfe der Farbenbehandlung sich bedeutsam ausprägt. Die höchste
Feinheit der Charakteristik, bei welcher das individuelle Verhalten der
drei Lebensalter den Ausgangspunkt bildet, stempelt das herrliche Werk
mit dem Gepräge hohen geistigen Adels.
Ein Werk idyllischen Charakters, naiv und herzlich empfunden
und ebenfalls durch eine poetische Landschaft ausgezeichnet, ist das
schöne Bild in der Galerie zu Dresden, welches die Begegnung Jakobs