Giorgiong.
Altartafeln.
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lung, die fein accentuirte, wohl abgewogene Zeichnung und Modellirung,
das energische Licht und die Zartheit des Helldunkels erinnern freilich
zumeist an den Letzteren; doch ist der Zustand des Bildes derart, dass
er ein sicheres Ürtheil verbietet. Anders verhält es sich mit der hoch-
gepriesenen Darstellung des von Engeln bestatteten und betrauerten
Christus im Monte di Pietä. zu Treviso. Dies effektvolle Virtuosen-
stück mit den bravourmässigen Verkürzungen, den derben wenig ge-
wählten Formen, der fetten und Heischigen Behandlung mit ihrem
gelblichen Licht und röthlich-braunen Schattentönen kann wohl sicher
dem Pordenone, nicht aber der feinen Kunst Giorgionds zugeschrieben
werden. Auch das berühmte hochphantastische Bild des Seesturmes,
welches aus der Scuola di S. Marco in die Akademie zu Venedig
übergegangen ist, darf trotz seiner unleugbar poetischen Macht und
dämonischen Phantastik, ganz abgesehen von den späteren Üeber-
malungen, nicht auf Giorgione zurückgeführt werden, da es schon in
der ersten Anlage zu viel Bravourmässiges enthält. Dagegen wird
eine Madonna im Museum zu Madrid, welche mit der h. Brigitta und
einem kriegerischen Heiligen in Halbiiguren dargestellt ist, durch Crowe
und Cavalcaselle dem Tizian zugeschrieben. Auch die thronende Ma-
donna im Louvre mit der h. Katharina und Sebastian, Joseph und einem
knieenden Stifter wird neuerdings dem Giorgione abgesprochen und
dem Pellegrino gegeben; das Bild ist aber von einer so ernsten strengen
Gluth und intensiven Macht des leuchtenden Kolorits, dass kaum ein
anderer als Giorgione dafür eintreten kann. Allerdings entfernen die
wuchtigen Charaktere, die derben und vollen, dabei innerlich gewaltigen
Naturen desselben sich von der vornehmen Feinheit der Gestalten auf
dem Altarwerk zu Castelfranco, dennoch herrscht in der Madonna und
dem Kinde grosse Verwandtschaft mit jenem Werke, und_die herbe,
fast bäuerliche Schönheit der Katharina, sowie den ergreifenden Kopf
Sebastians, endlich die Art, wie die Madonna das Kind hält und vor
dem Herabgleiten bewahrt, kann man nur Giorgione zutrauen.
Ungleich eigenthümlicher erscheint Giorgione in solchen Bildern,
welche den herkömmlichen religiösen Stoffen fernstehen und im Gebiet
einer rein poetischen Anschauung wurzeln. Diese Werke sind in ihrem
Inhalt oft räthselhaft verschleiert und mögen in einzelnen Fallen auf
Herzenserlebnisse des Künstlers zurückzuführen sein. Unwillkürlich
erinnert man sich dabei der Berichte seiner Zeitgenossen, welche ihn
als einen dem weiblichen Geschlechte besonders ergebenen Liebling der
Frauen schildern. Solcher Art ist vor Allem jenes kleine Bild, das