Giorgione.
J ugendzeit.
485
Der grosse Bahnbrecher der neuen Zeit war für die venezianische
Schule Giorgione, oder wie sein eigentlicher Name heisst, Giorgio Bar-
barelli, der wie es scheint um 1477 gleichzeitig mit Tizian geboren
wurde Es ist nicht nothwendig, das Datum seiner Geburt hinauf-
zurücken; es genügt vielmehr, anzunehmen, dass er sich ungewöhnlich
früh entwickelt habe, denn es wäre nicht der einzige Fall, dass ein
jüngerer Künstler der Lehrer eines älteren geworden. Alles deutet
darauf hin, dass wir in der That bei Giorgione eine ungemein frühe
Entwicklung voraussetzen dürfen. Sein Geburtsort Castelfranco ist ein
malerisches, an den Ausläufern der venezianischen Alpenkette gelegenes
Städtchen. Noch erheben sich in gewaltigen Massen die halbzerstörten
Ringmailern mit zahlreichen Vertheidigungsthürmen, von üppigem Epheu
übersponnen. Den Rahmen der schönen Landschaft bilden die sanft-
ansteigenden, reich bewaldeten, mit Villen und Dörfern übersäeten Vor-
berge, hinter welchen sich die steilen Zacken der Alpenkette mit ihren
Schneegipfeln vom blauen Himmel abheben. Wer in dieser Umgebung
mit dem Blick des Malers geboren war, dem musste früh schon der
Sinn für die Schönheit der Landschaft aufgehen. So sollte Giorgione
der Schöpfer der modernen Landschaftsmalerei bei den Venezianern
werden.
Die Familie Barbarelli, deren Namen er trägt, gehört zu den
vornehmeren der Stadt; Giorgione aber war von illegitimer Abstam-
mung und wurde auch später nicht legitim erklärt, bis er selbst durch
den Klang seines Namens den Makel seiner Geburt tilgte. Seine
Kindheit verlief ohne Vaterhaus und Elternliebe wahrscheinlich freudlos
genug. Früh scheint er nach Venedig gekommen zu sein; überein-
stimmend wird seine Anmuth und Liebenswürdigkeit gerühmt, und
wegen seiner stattlichen Gestalt und seines hohen Geistes erhielt er,
wie Vasari berichtet, den Beinamen Giorgione. Er war der Liebling
der Frauen, als geistvoller Gesellschafter und trefflicher Musiker in
den vornehmsten Kreisen gern gesehen, die er besonders durch seinen
Gesang und sein Lautenspiel entzückte. Von seiner künstlerischen
Bildung wissen wir nur, dass er in der Schule Giovanni Bellinfs auf-
wuchs, dort aber bald durch die freie Grösse seines Stiles und die
lebensvolle, breite malerische Behandlung alle Mitstrebenden so weit
überflügelte, dass er den stärksten EinHuss auf seinen Mitschüler Tizian
über ihn Crowe und Cavalcaselle a. a. 0.,
in den meisten Fällen wird folgen müssen.
i) Vgl.
Analyse man
deren
tief
eindringender