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Buch
Kapitel.
Lombarden und Piemontesen.
endlich in der Galerie zu Modena unter Nr. 38 ein dem Giovanni
Bellini zugeschriebenes Madonnenbild, welches an Catena erinnert.
Die völlige Freiheit des neuen Stiles, aber schon mit starker
Hinneigung zum Manierismus, findet man bei den Söhnen Galeazzds
Giulio und Antonio, sowie bei seinem Neffen Bernardino. Wir haben
diese schon gänzlich von Eklecticismus erfüllten Künstler hier nicht
weiter zu verfolgen; namentlich Correggio hat stark auf sie eingewirkt,
aber wohl mag darauf hingewiesen werden, wie selbst in diesen Künst-
lern noch ein bedeutender Sinn für Gesammtdekorationen sich in den
Kirchen Oremona's zu erkennen giebt. S0 ist S. Margherita durch
die feinen Fresken Giulio's (1547) ausgezeichnet, die noch voll Anmuth
und Würde, auch in der Farbe frisch und gut sind. Das Ganze von
trefflicher Harmonie, die Eintheilung der Decke vorzüglich, die 0rna-
mentale Einfassung, wesentlich goldene und buntfarbige Ornamente auf
weissem Grunde, von grossem Reiz. Noch bedeutender ist S. Sigis-
mondo, eine der schönsten Renaissancekirchen Italiens, einschifiig mit
Spiegelgewölbe und tiefen Seitenkapellen mit Kreuzgewölben, das ganze
Innere an Wänden und Decken von den Campi und ihren Gehülfen
bemalt, wohl etwas zu reich und bunt, weil auch die Pilaster, Zwickel,
Gurten und sonstigen Einfassungen anstatt grau in grau durchaus farbig
gehalten sind, auch zu grosses iigürliches und ornamentales Detail zeigen.
Im Ganzen aber von grosser Pracht und festlich heiterer Wirkung,
freilich schon etwas weltlich. Bei der Ausgiessung des h. Geistes von
Giulio Campi sind die wunderlich herauflangenden Hände auffallend, es
ist ein grosses Concert von gesticulirenden Armen, während die dazu
gehörigen Heiligen, ganz nach Correggids Art, fast nur als Gewand-
massen mit einem Stück stark verkürzten Gesichtes zur Erscheinung
kommen. Das Hochaltarbild von demselben Künstler, die thronende
Madonna mit Heiligen, welche Francesco Sforza und seine Gemahlin
empfehlen (1540), ist eine gediegene Arbeit von kraftvollem, nur in den
Schatten etwas zu schwerem Kolorit. Die dritte dieser prachtvoll deko-
rirten Kirchen ist S. Pietro, ebenfalls ein edler Renaissancebau, drei-
schiffig mit Kapellen, Querhaus, Kuppel und halbrundem Chorschluss,
ebenfalls vollständig ausgemalt, in der Wirkung ebenso reich als har-
monisch, an den Pfeilern und den Friesen über den Arkaden durch
plastische Ornamente kräftig belebt, die Gemälde freilich schon stark
manierirt. Immerhin stellen alle diese Werke eine Nachblüthe von
ungewöhnlich andauernder Kraft und Lebensfülle dar.