Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

Lionardo 
Verrocchids Schule. 
eine gründliche Unterweisung empfing, Diese beschränkte sich nicht 
ausschlicsslich auf die Malerei, sondern umfasste nach der Vielseitigkeit 
seines Meisters auch die verschiedenen Zweige der Plastik. Wir haben 
Ven-Occhio (I, S_ 316 ff.) als einen Künstler kennen gelernt, der durch 
das energische Streben nach plastischer Formvollendung, durch seine 
Erfahrung in der Perspektive, der Bildhauerei, Holzschnitzerei und 
Goldschmiedekunst, ja selbst in der Malerei und Musik sich als ein 
trefflicher Meister für eine Persönlichkeit wie Lionardo erweisen musste. 
In der Malerei gehörte er zu den Künstlern, die neben der scharfen, 
fast herben Bestimmtheit der Form nicht minder eifrig auf die Ver- 
vollkommnung der Farbentechnik bedacht waren. Ausserdem war Ver- 
rocchio nach dem Zeugniss des Giovanni Santi eintMann von ange- 
borner Feinheit und Liebenswürdigkeit („d'umanitate e innata gente- 
lezza"), der auch dadurch einem Geiste wie Lionardo innig verwandt 
erscheint. 
In der Werkstatt seines Meisters fand Lionardo zwei treffliche 
Mitschüler, an welche er sich ganz besonders anschloss: Pietro Pcrugino 
mit der umbrischen Gefühlsinnigkeit und dem lauteren Schönheitssinn, 
und Lorenzo di Credi, der durch treuherzigen Ernst, liebenswürdige 
Gesinnung und unübertreffliche Sorgfalt der Ausführung hervorragt. 
Wie der Wetteifer mit solchen Genossen und das Vorbild eines so 
angesehenen Meisters auf den feurigen Geist Lionardds wirken musste, 
ist leicht zu ermessen. Das unabsehbar reiche Kunstleben von Florenz 
war für einen aufstrebenden Jüngling ein unerschöpflicher Quell 
mächtiger Anregung und Förderung. Schon damals übte sich Lionardo 
in den verschiedensten Zweigen der Kunst. Vasari kannte Gipsabgüsse 
mehrerer von ihm damals modellirter Frauen- und Kinderköpfe, deren 
hohe Schönheit er nicht genug rühmen kann. Besonders aber übte 
er sich im Zeichnen nach der Natur, wobei er nicht bloss den feinsten 
.Sinn für erlesene Schönheit, sondern nicht minder den Hang zum 
Charakteristischen selbst bis zum Extrem Walten liess. Wenn er lilensehen 
mit ungewöhnlichen Gesichtszügen, seltsamem Bart- oderlHaarwuchs 
begegnete, so ging er ihnen so lange nach, bis er sich ihre Gestalt 
genau eingeprägt hatte, um sie zu Hause mit grösster Lebendigkeit 
aus dem Gedächtniss zu zeichnen. Gern verkehrte 61' deSllßlb auf 
den Marktplätzen unter dem Volk, lud auch wohl groteske Exemplare 
V011 Bauern Zu sich ein und erschreckte sie mit allerlei physikalischen 
EXperimßnten, oder erzählte ihnen lächerliche Schnurren, um ihre 
Grimassen sich einzuprägen und mit dem Stift festzuhalten. Das
	        
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