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III.
Buch.
Kapitel.
Lombarden
und
Piemontesen.
öffnen sich die grossartigen Hallen des Rathhauses mit Rundbogen-
fenstern und trotzigem Zinnenkranz und daneben die gewaltige Kaufhalle.
Alle diese Werke gehören der Glanzzeit Cremonafs an. Als aber die
Renaissance die Welt zu bewegen begann, fand sie auch in Cremona
Eingang, und der glänzende Backsteinbau der Lombardei brachte auch
hier stolze Paläste und üppige Prachtportale hervor. Seit 1517 führte
man sodann die eleganten Marmorarkaden auf, welche sich vor dem
Dome hinziehen und ihn mit den benachbarten Gebäuden verbinden.
Inzwischen hatte auch die Malerei nicht gefeiert und sich aus der
Stagnation der spät mittelalterlichen Zeit durch das Vorbild Mantegna's
und der Ferraresen zu neuem Leben aufgeschwilngen. Der erste Künst-
ler von Bedeutung war Bonifazio Bembo gewesen, der im Dienste des
Herzogs Francesco Sforza seit 1461 bedeutende Arbeiten für die Aus-
stattung der Kastelle von Mailand und Pavia übernahm, auf deren
Umfang wir aus dem Umstandc schliessen können, dass für Pavia allein
der Kostenanschlag sich auf 8000 Dukaten belief. In S. Agostino zu
Cremona sieht man noch die allerdings fast völlig erneuerten Bildnisse
von Francesco Sforza und seiner Gemahlin Bianca Maria, welche diese
nach dem Tode ihres Gatten dort ausführen liess.
Klarer tritt uns die Gestalt des Boccaccio Boccaccino hervor, der
um 1460 geboren war und 1518 gestorben zu sein scheint. Schon 1497
hatte er in S. Agostino eine Reihe von Fresken ausgeführt, später in
Rom und Venedig gearbeitet, war dann aber nach Cremona zurück-
gekehrt. Vasari erzählt, er habe in Rom eine Krönung der Madonna
gemalt, sei aber wegen dieses Werkes und mehr noch wegen seines
beissenden Urtheils über Michelangelds Arbeiten von der öffentlichen
Kritik so scharf mitgenommen worden, dass er im Aerger nach Cremona
zurückgekehrt sei. Wenn an dieser Erzählung nicht Alles Erdichtung
ist, so muss Boccaccinds Aufenthalt in Rom in viel spätere Zeit fallen,
als man gewöhnlich annimmt, da wir ihn seit 1506 im Dom seiner
Vaterstadt beschäftigt finden. Möglich, dass er zwischen 1508 und 1514
nach Rom gegangen ist, da wir zwischen diesen Daten allerdings eine
Pause in seinen Arbeiten für den Dom finden. Seit 1506 begann man
nämlich in Cremcna die malerische Ausschmückung des Domes, einen
der riesigsten Cyklen von Wandmalereien, welche Italien aufweist.
Bekanntlich ist der Dom , ähnlich den Domen von Pisa und Ancona,
eine grossartige mittelalterliche Basilika mit ausgedehntem dreischiffigeln
Querhaus. An den gesammten Oberwänden dieses imposanten Innern
ziehen sich die Fresken hin, mit deren Ausführung zunächst Boccaccino