Gaudenzio
Ferrari.
Fresken in
Vercelli.
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empfindungsvoll die Gruppe der ohnmächtigen Madonna, der edle
Christus und die denselben umschwebenden trauernden Engel, schlicht
und gediegen endlich der unten knieende Stifter, das Ganze von gross-
artiger Freiheit und Kraft. Im nördlichen Querschiff sodann vom Jahre
1534 vier grosse Wandbilder nebst einigen kleineren dazwischen ange-
brachten mit der Geschichte der Madonna, ihrer Geburt und Vermäh-
lung, der Geburt Christi und der Anbetung der Könige, daneben an
der Ostwand eine riesige Darstellung der Himmelfahrt Maria, wiederum
eines seiner herrlichsten Werke. (Fig. 112.) In. weissem sternbesäten
Gewande von grossartigem Faltenwurf schwebt die hoheitvolle jung-
fräuliche Gestalt mit dem Ausdruck innigen Entzückens empor, von
jubelnden Engelgruppen umgeben, welche in dem reizenden Muthwillen
der Bewegungen und Verkürzungen an Correggio erinnern. Von oben
her schwebt Gottvater, eine herrliche Gestalt mit langem weissen Barte
herab, um ihr die Krone aufzusetzen. Es ist ohne Frage eine der
schönsten Darstellungen des Themas, die wir kennen. Den unteren
Theil bildet die Schaar der Apostel, die in leidenschaftlicher Aufregung
der verklärten Erscheinung nachblicken." In den übrigen Bildern herrscht
eine heitere, selbst genrehafte Auffassung der Wirklichkeit vor. So
namentlich bei der Geburt Maria, wo die Vorbereitungen zum Baden
des Kindes auf's Ergötzlichste geschildert werden. Auch bei der Ver-
mählung bilden die Mädchen aus dem Volk mit den Puffarmeln ihres
Zeitkostüms, bei der Anbetung der Könige die mit Hunden spielenden
Kinder, der seinem Gebieter die Sporen abschnallende Page heitere
Episoden. In der Mitte ist ein h. Bischof und die h. Agnes dargestellt,
welche zwei knieende Stifterinnen, vornehme Damen in schwarzer Tracht,
der Madonna empfehlen. Das ganze grosse Werk ist in lichten frischen
Tönen breit und frei gemalt und zeigt die wonnige Leichtigkeit, mit
welcher Gaudenzio sich in solchen grossräumigen Fresken zu ergehen
liebte. Ausserdem findet man in dem kleinen Oratorium S. Caterina
Reste der ehemals das Ganze bedeckenden Fresken, leider in einem
Zustand trauriger Zerstörung. Man sieht noch die Verurtheilung der
h. Katharina, dann ihr Martyrium, eine Vereinfachung der Composition
in der Brera, endlich nochmals die Heilige, welche der Madonna das
Rad präsentirt, dabei eine knieende Bruderschaft. An den Zwickeln
des mit Kreuzgewölbe und Stichkappen bedeckten Raumes sind hübsche
schwebende Engel meist zu zweien gemalt. Im Klostergange befindet
sich noch ein besser erhaltenes Freskobild aus der Legende der Hei-
ligen, ebenfalls aus Gaudenzids späterer Zeit. Zu seinen empfindungs-