sprach. Auch Gaudenzio giebt sich diesem volksthümlichen Thema mit
der ganzen Energie seines Naturells hin, derber und leidenschaftlicher
als der milde Luini und zugleich mit manchen genrehaften Neben-
{iguren von Kriegsknechten, Hauptleuten, missgestalteten Zwergen und
Kropiigen, die gewiss das Entzücken seines Publikums erregten, uns
aber den Eindruck geben, dass sein Realismus mit dem in der rafae-
lischen Schule gewonnenen höheren Stilgefühl sich nicht immer ver-
tragen will. S0 sind denn die Schöpfungen Gaudenzids von ungleicher
Art, manchmal von hinreissender Schönheit und erstaunlicher Kraft der
Empfindung, dann wieder im Einzelnen phantastisch und stillos. Be-
merkenswerth für seine Richtung ist endlich, dass er allem Anscheine
nach ausschliesslich im religiösen Stoifgebiet thätig war.
Die Betrachtung seiner Altarbilder ist am besten geeignet, über
die stilistische Entwickelung des Künstlers Auskunft zu geben. Als
die früheste der uns bekannten Tafeln darf wohl das schöne Altarblatt
in der Kirche zu Arona betrachtet werden, welches die Bezeichnung
Gaudentius Vincius und die Jahreszahl 1511 trägt. Denn man darf
gewiss annehmen, dass mit diesem sonst unbekannten Künstlernamen
kein Anderer als Gaudenzio Ferrari gemeint sei. Es ist eine mehr-
theilige Altartafel, von einem zierlich geschnitzten auf blauem Grunde
vergoldeten Rahmen eingefasst. Das Hauptbild stellt nach einem Motive,
welches in der umbrischen Schule hauüg vorkommt, die Madonna in
Verehrung des neugeborenen Kindes dar. Dieses sitzt auf einem Sack
und legt den Finger an den Mund, welchen der kleine Johannes zu
ergreifen und Wegzuziehen sucht, während ein Engel das Christuskind
spielend am Beinchen fasst. Zu beiden Seiten sind links die Heiligen
Katharina und Barbara, rechts Augustinus und Petrus Martyr darge-
stellt, welche eine knieende Stifterin aus dem Hause Borromeo der
Madonna empfehlen. Darüber sieht man in der Mitte wieder ganz in
Peruginds Art die Halbügur des segnenden Gottvater, rechts den h. Fi-
delis und Hieronymus, links zwei andere Heilige, Ersterer besonders
von einer an Sodoma erinnernden süssen Jugendschönheit. Gleiche
Anmuth und Holdseligkeit zeigen die herrlichen Engel, während die
Madonna etwas befangen im Ausdruck ist und die h. Katharina an den
spitznasigen Typus Francia's erinnert. Üeber das Ganze ist ein Hauch
seelenvoller Milde ausgegossen, die Farbe ist kräftig, tief und har-
monisch und erinnert wiederum an Perugino. Vom Jahr 1515 datirt
sodann ein ebenfalls aus sechs Tafeln bestehendes Altarwerk in S. Gau-
denzio zu Novara. Es enthält unten in der Mitte die thronende