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Buch.
XI. Kapitel.
Lombarden und
Piemontesen.
und verschmitzter Berechnung nicht schöner zum Ausdruck bringen,
als es hier geschehen ist. Das Bild ist in einem warmen klaren Ton
mit der höchsten Sorgfalt durchgeführt, von delikater Feinheit in den
Formen, von zartem Schmelz und dabei von einer Kraft der Charak-
teristik, die wahrscheinlich auf einen Entwurf Lionardo's zurückzuführen
ist. In des Meisters Geist ist auch das feine Leben der ungemein
sprechend bewegten Hände, obwohl hier in der Modellirung sich eine
gewisse Mühsamkeit verräth. Auf gleicher Stufe steht das köstliche
Bild in der Galerie Sciarra zu Rom, welches unter der Bezeichnung
Eitelkeit und Bescheidenheit diese beiden Charaktergegensätze in zwei
herrlichen Halbfiguren schöner Frauen auf's geistvollste durchführt.
Auch hier ist der weiche Schmelz der Farbenbehandlung bezeichnend
für Luini, nicht minder aber auch eine gewisse Schwere in der Anord-
nung und Bewegung der Hände. Das Kolorit ist wieder von goldigem
Ton und von köstlicher Frische. Auf Luini darf man vielleicht auch
den schönen Kopf eines segnenden Christus in der Galerie Borghese
zurückführen, der bei goldigem Kolorit, tiefem Schmelz der Töne,
wunderbar weichen Üebergängen in der Modellirung und köstlicher
Sorgfalt der Ausführung dem Lionardo sehr nahe kommt. Dabei sind
die Hände überaus fein gezeichnet, das blühend rothe Gewand und der
blaugrüne Mantel von prachtvoller Wirkung. Eine gewisse Unregel-
mässigkeit im Gesicht verleiht ihm einen räthselhaften Ausdruck. So-
dann gehört die Herodias mit dem Haupte des Täufers auf der Schüssel
im Belvedere zu Wien zu den Bildern, in welchen der Künstler un-
mittelbar unter dem Einfluss Lionardds steht. Wieder ein Halbfiguren-
bild; von unheimlichem Reiz das kalte Lächeln in diesem schönen Antlitz
mit den unruhig flimmernden Augen und den schwellenden Lippen, im'
Gegensatz dazu der ernste todesbleiche Kopf des Bussepredigers und
im Halbdunkel zurücktretend das energische Gesicht des Henkers. Das
Bild ist in etwas kühlem Tone mit einer an Lionardo erinnernden
Sorgfalt durchgeführt. Alle diese Werke verrathen eine Feinheit und
geistige Wucht, die ebenfalls von der unmittelbaren Einwirkung jenes
grossen Meisters Zeugniss ablegt.
Auch in andern Tafelbildern. hält sich Luini auf ähnlicher Höhe,
wenngleich der geistige Gehalt von geringerer Tiefe ist. Dahin gehört
die schöne Tafel der Madonna mit dem Kinde Nr. 329 in der Brera.
(Fig. 106.) Maria sitzt in Halbfigur vor einer Rosenlaube, die mit
ihren Blättern und Blumen den Hintergrund bildet. Auf dem Schooss
hält sie das mit einem leichten Hemdchen bekleidete Christkind, welches