Buch.
Kapitel.
Lionardo
Vinci.
de' Signori in eine gewaltige Pyramide aufgeschiehtet und unter geist-
lichen Gesängen, unter Glockengeläut und Trompetenklang verbrannt.
Der furchtbare Rückschlag blieb nicht aus; der Papst excommunicirte
den Busseprediger, der ebenso unerschrocken die Ruchlosigkeit der
römischen Curie verdammt hatte; die Gegner Savonar0la's erstürmten
das Kloster S. Marco, warfen ihn in's Gefängniss, und nachdem er
siebenmal die Folter ausgestanden hatte, ward er 1498 am Himmel-
fahrtstage auf der Piazza gehängt und dann verbrannt. Neue Bedräng-
nisse brachte der Stadt der Krieg mit der alten Nebenbuhlerin Pisa,
die unter allen Umständen gedemüthigt werden sollte. Es ist eins
der letzten Blätter aus der trüben Geschichte der Bruderkämpfe,
durch welche die italienischen Städterepubliken den Untergang auf
sich selbst herabbeschworen haben. Pisa fiel 1509, aber der Krieg
hatte die Kräfte der Florentiner erschöpft, unaufhaltsam drang Gesare
Borgia in der Romagna vor, und als 1512 das florentinische Heer bei
Prato durch die päpstlichen 'I'ruppen eine Niederlage erlitten hatte,
musste der zum lebenslänglichen Gonfaloniere ernannte Pietro Soderini
zurücktreten, und die Medici kamen wieder an's Ruder. Noch einmal
raffte sich in dem Aufstand von 1527 Florenz gegen die entarteten
Nachkommen eines grossen Geschlechts auf, aber nur um nach helden-
müthiger Vertheidigung 1530 zu unterliegen.
Dies ist genau die Grenze der künstlerischen Entwicklung dieser
edlen Stadt. Sie hat noch unter Soderini trotz der Noth der Zeit
bedeutende künstlerische Unternehmungen hervorgerufen, aber so eng
verknüpft mit dem Genius der Freiheit und Unabhängigkeit War dort
das Heil der Kunst, dass mit dem Untergang jener auch diese in's
Grab sank.
So waren die Zeiten, in welchen neben einer Reihe älterer Künstler
der grosse Genius geboren wurde und heranwuchs, der durch seine
weit überragende schöpferische Anlage die Malerei aus den breitgetre-
tenen Bahnen der Vorgänger befreien und zu einer neuen Entwicklung
führen sollte. Lionardo da Vinci 3') ist nicht bloss wie mancher seiner
Zeit- und Kunstgenossen eine vielseitige, er ist gradezu eine allseitige
Persönlichkeit. Nie vielleicht hat sich die Totalität menschlicher
Ü Vasar-i, ed. Le Monnier VII. C. Amoretti, memorie storiche sulla vita
etc. di Lionsirddda Vinci. Milano 1804. Graf von Gallenberg, Lionardo da Vinci.
Leipzig 1834. Rio, L. de Vinci et son äcole. Paris 1855. A. Houssaye, histoire
de L. de Vinci, Paris 1869. C. de Blasis, L. da Vinci. Milano 1872. Waagen
in seinen Kleinen Schriften. Stuttgart 1875.