Nlarco
d'Oggi0ne.
445
benützt. Diese nach Qvid's Metamorphosen XIV, 623 gegebene
Schilderung ist voll poetischer Anmuth, der Kopf der Pomona hat die
Formen und das süsse räthselvolle Lächeln Lionardds, die Färbung
ist ungemein warm und blühend. Die Originalskizze zu dem Bilde
sieht man zu Windsor.
Ebenfalls in nahem Anschluss an den grossen Meister entwickelt
sich Jfarco d'Oggi0ne oder Oggionno, so genannt nach dem kleinen Flecken
bei Mailand, wo er etwa um 1470 geboren ward. Wir wissen, dass
er 1490 bei Lionardo arbeitete, und- er scheint bis 1540 gelebt zu
haben. Er übersetzt die Typen seines Meisters in eine derbere Aus-
drucksweise, mit etwas gröberer Formensprache, die sich zugleich durch
ein kräftiges Kolorit ausspricht. In der Brera sieht man als Haupt-
bild des Künstlers die grosse aus S. Marta stammende Altartafel
Nr. 445, Welche die Erzengel Michael, Gabriel und Rafael als Ueber-
winder Lucifer's darstellt, bezeichnet mit dem Namen des Künstlers
MARCVS. Die Gestalten sind nicht eben schwungvoll, eher etwas
schwer, der lionardeske Typus der Köpfe ist nicht frei von Heber-
treibung und doch nicht ohne Anmuth, wenngleich etwas zu kräftig
modellirt. Das Kolorit ist von tiefer Glut, wie Emaille verschmolzen;
bezeichnend sind die gelben Gewänder mit rothen, die rothen mit
grünen Schatten. In derselben Sammlung findet man noch mehrere
Bilder des Künstlers, so eine Himmelfahrt der Madonna,'Nr. 452, aus
der Kirche della Pace, zwei kleinere Tafeln mit Franziskus und An-
tonius, welche zwei Stifterinnen empfehlen, eine Madonna mit dem
h. Paulus und Johannes dem Täufer, Nr. 316, und endlich die tüch-
tige Kopie von Lionardds Abendmahl. Auch einige Fresken des Künst-
lers sieht man im Corridor, so Nr. '14, die Himmelfahrt der Madonna,
in kräftigem Ton gemalt und mit leidenschaftlicher, aber schon über-
triebener Bewegung. Auch die Hochzeit zu Kana, Nr. '19, zeigt die
Neigung, Lionardds Geberdensprache zu übertreiben, obwohl Christus
und die Apostel nicht ohne Würde sind. Mehrere einzelne Figuren
von Heiligen ebendort, Nr. 21 und 22, verrathcn wieder die etwas
in's Derbe, ja Klotzige ausartende Energie des Künstlers. Dasselbe gilt
von Adam und Eva im Paradies, Nr. 32, wo namentlich die steife
ungeschlachte Eva wenig Sinn für weibliche Anmuth bekundet. In der
Ambrosiana findet sich von ihm eine Madonna mit dem Kinde, wel-
ches mit den Händchen nach der Brust der Mutter langt; ein ebenfalls
in's Breite und Derbe gezogener Typus Lionardo's, doch nicht ohne
eigenthümliche Anmuth und dabei von trefflicher plastischer Durch-