Ganymed.
Leda.
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Schmelz weich modellirten nackten Gestalten mit dem köstlichen land-
schaftlichen Grunde von eben so hohem poetischen wie malerischen
Reiz. Nicht minder bezaubernd ist die Entführung des Ganymed im
Belvedere zu Wien, welches aus Spanien in den Besitz Kaiser Ru-
dolphs H. gelangt ist. Der Künstler lässt uns wieder in eine herrliche
Landschaft blicken, in welcher man die zarte Gestalt des Götterlieblings
vom Adler des Zeus emporgetragen sieht. Auch hier ist das feine
Helldunkel von grösstem Reiz in der schmelzenden Weichheit der jugend-
lichen Formen. Das leichte Aufwärtsschweben ist meisterlich behandelt
und der seinem Herrn nachschauende Hund ist ein liebenswürdig em-
pfundener Zug. In derselben Sammlung sieht man ein zweites Bild
des Künstlers, welches sowohl durch die Aehnlichkeit der malerischen
Behandlung, wie durch die genaue Uebereinstimmung des Formats sich
als das Gegenstück zu jenem erweist. Correggio hat hier die von
Jupiter in einer Wolke umarmte Io dargestellt. Man sieht die köst-
liche Gestalt von der Rückseite auf einem mit Rasen bewachsenen
Felsensitz zurückgelehnt, mit dem Ausdruck hinsterbenden Entzückens
der Umarmung des schattenhaft von der Wolke umhüllten göttlichen
Liebhabers sich hingeben. Ein Schauer von Wonne durchrieselt die
zarte, vom weichsten Helldunkel umflossene Gestalt, die bis in die
Fingerspitzen von Lust erfüllt ist. Correggio hat hier das Höchste
gewagt, aber er hat es auch durch die höchste Kunst geadelt und in
die Sphäre der Poesie hinaufgehoben. Ein Reh, das den Kbpf in's
Bild hineinstreckt, um aus dem im Vordergrunde angedeuteten Quell
zu trinken, erhöht den stillen Naturzauber der Scene. Eine alte treff-
liche Kopie des Bildes befindet sich im Museum zu Berlin.
Mit diesem Bilde hatte Correggio ein Gebiet betreten, welches
seine Kunst in ihrer höchsten Eigenthümlichkeit und ihrer vollsten
Berechtigung zeigt. Das volle Entzücken der Liebe zu schildern und
dabei rein und unbefangen zu bleiben konnte nur gelingen, wenn der
Vorgang in das poetische Reich einer idealen Welt emporgehoben und
durch den Zauber vollendeter Farbenbehandlung verklärt wurde.
Noch reicher und mannichfaltiger tritt dies in dem grossen Bilde
der Leda hervor, welches sich jetzt im Museum zu Berlin befindet.
Es ist wahrscheinlich eines der beiden Bilder, welche Herzog Federigo
als Geschenk für Kaiser Karl V. bestellt hatte. Das Bild befand sich
seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts in der Sammlung Rudolplfs H.,
in welche es aus Spanien gelangt war. Nach der Eroberung Prag's
durch die Schweden, 1648, kam es nach Stockholm. Als die Samm-