Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

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Buch. 
Kapitel. 
Correggio. 
dass nur mit Mühe sich eine Anschauung des Ganzen gewinnen lässt. 
Correggio hatte in der Kuppel die Himmelfahrt Christi im Beisein der 
Apostel darzustellen. Die Art, wie er diesen Gegenstand auffasste und 
zur Erscheinung brachte, weicht von aller Tradition ab und giebt zum 
ersten Male einer auf Täuschung und höchste realistische Wirkung 
ausgehenden Anschauung die Herrschaft. Was früher Melozzo da Forli 
in kühner Weise, aber mit noch unzureichenden Mitteln, versucht hatte, 
wird hier von einem Meister der völlig gereiften Kunst zu staunens- 
werther Wirkung gebracht. Der architektonische Raum verschwindet 
gleichsam und die Kuppel wird zum unermesslichen Himmelsraum, 
der von einem Meer von Licht durchüuthet ist. In diesem scheinbar 
unendlichen Aether ist die Himmelfahrt Christi als Vision des unten 
mit entzücktem Aufblick dargestellten Johannes aufgefasst. In der Mitte 
sieht man die Gestalt Christi mit ausgebreiteten Armen emporschweben, 
in einer Erregtheit des Ausdrucks und einer Kühnheit der Verkürzung, 
die allerdings der Würde des Vorgangs starken Abbruch thut. Ringsum 
am Fusse der Kuppel sind die Gestalten der Apostel, ebenfalls in leb- 
haften Bewegungen auf Wolken lagernd, dargestellt, zu zweien an- 
geordnet, von lieblichen Engelknaben umspielt, die mit den Wolken 
aufwärts schweben und eine Fülle entzückender Schönheit über das 
Ganze verbreiten. Wie wenig der Künstler auf die feierliche Wlürde 
christlicher Gestalten Bedacht nahm, wie sehr ihm die rein mensch- 
liche Schönheit in stark sinnlicher Ausprägung Bedürfniss war, erkennt 
man schon daraus, dass er die Apostel fast unbekleidet gebildet hat". 
Dass Michelangelo in seinem allerdings viel später entstandenen Jüngsten 
Gericht ebenfalls die Gestalten, abweichend von der kirchlichen Tra- 
dition, grösstentheils nackt dargestellt, sahen wir schon. Auch ihm 
kam es dabei auf Schilderung der vollkommenen Schönheit mensch- 
licher Körper an; aber er betonte dabei das plastische Element und 
suchte durch den Ausdruck eines mächtig entwickelten Muskelspieles 
die in's Heroische gesteigerte Energie zu verkörpern. Correggio da- 
gegen kam es auf die Schilderung vollendeter malerischer Erscheinung 
an; deshalb bevorzugte er die nackten Gestalten, deren weiches blühen- 
des Fleisch den Glanz des Lichtes zu trinken und leuchtend zurück- 
zustrahlen scheint. Auf den vier grossen Bogenzwickeln, von welchen 
die Kuppel aufsteigt, stellte er ebenfalls in kolossalen Gestalten die 
auf Wolken schwebenden Evangelisten, verbunden mit den vier Kirchen- 
Vätern dar. (Fig. iOi.) Auch diese Gestalten sind in kühner Ver- 
kürzung gezeichnet, doch wusste er sie im Ganzen ruhiger zu halten
	        
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