Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

Buch. 
Kapitel. 
Kunst 
der ital. 
Hochrenaissance. 
Trotz des übermüthigen Geistes der Zeit hält sie sich fast durchweg 
frei von sittlicher Ausgelassenheit und bewahrt auch hier die reine 
Höhe vornehmer Grazie, wenn es auch z. B. in den überströmenden 
Schöpfungen eines Giulio Romano nicht an einzelnen Ausschreitungen 
in's Derbe, ja Gemeine fehlt, und wenn gewisse Gestalten Correggids 
und selbst Tizian's nicht ganz frei von jener Absichtlichkeit bleiben, 
die einer edlen hohen Kunst fern sein sollte. Hier aber wagt man 
kaum zu rügen, weil die höchste Kunst selbst das Bedenkliche in den 
Schleier der Anmuth hüllt. 
Endlich ist nicht zu vergessen, dass auch jetzt die Malerei im 
Einklange mit Architektur und Plastik ihre bedeutendsten Werke 
schafft, mit ihnen verbunden das Bild einer grossen Gesammtkunst 
darstellt, Welches schon seit Giotto das Ideal Italiens gewesen war. 
Nur dass jetzt, auf der Stufe der höchsten Vollendung für jede einzelne, 
auch diese Verbindung ihren vollkommensten Ausdruck gewinnt. Will 
man einen Unterschied von der Kunst des 15. Jahrhunderts betonen, 
so besteht derselbe darin, dass die dekorirende Plastik, welche in jener 
Epoche vorherrscht, mehr zu Gunsten der Malerei zurücktritt, und 
dass letztere, nach dem Muster der damals neu entdeckten antiken 
Wandmalereien in den Thermen des Titus und an andern Orten 
fortan auch in diesen Aufgaben tonangebend wird. Die klassischen 
Schöpfungen dieser Art sind RafaePs Loggien im Vatican, an welche 
sich in ähnlichem Sinn Giulio Romands Dekorationen in der Villa 
Madama anschliessen. 
So ergibt sich also überall das glänzende Uebergewicht der 
Malerei, und wir haben nun nach den tieferen Gründen zu fragen, 
welche dasselbe bewirkten. Dass die Malerei der natürliche Ausdruck 
für den Gedankeninhalt der christlichen Aera war, ist schon früher 
dargelegt worden. Dass sie aber gerade in Italien ungehemmt zu 
dieser Höhe sich entfaltete, die tonangebende Kunst in dem reichen 
Kulturlieben der Zeit wurde, lässt sich wohl begreifen. Sie hätte 
höehstene mit der Poesie oder der Musik um diesenVorrang streiten 
können Wie es mit der Poesie der Epoche stand, haben wir schon 
gesehen. Seit Dante hatte dieselbe keinen Vertreter mehr gefunden, 
der mit hinreissender Macht die Ideen, welche im tiefsten Grunde 
das Leben bewegen, ausgesprochen hätte. Losgelöst vom allgemeinen 
Bewusstsein, lediglich zum Organ für das moderne Individuum geworden, 
das sich mit Vorliebe skeptisch und ironisch gegen den überlieferten 
Glauben verhielt, vermochte die Poesie Wohl die höhere Gesellschaft,
	        
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