Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

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Buch. 
Kapitel. 
Sienesen. 
so wird man in der ganzen damaligen Kunst, auch Rafael nicht aus- 
genommen, nichts Aehnliches von süss schwärmerischer Schönheit finden. 
(Fig. 95.) Hier ist noch ein Anklang an Lionardo, aber zu voller 
Selbständigkeit und freier Schönheit entwickelt. Das Einzige, was 
dem herrlich gemalten, in warmem Ton und köstlicher Weichheit der 
Üebergange durchgeführten Bilde vorzuwerfen, ist die Stillosigkeit der 
Gewänder. Vergleicht man RafaePs Composition desselben Gegen- 
standes, so ist dieselbe geschlossener, von höherem Liniengefühl und 
durchweg von mehr klassischer Schönheit, während Sodoma süssere 
Innigkeit und mehr romantischen Reiz hineinträgt  
Das andere Bild stellt die Familie des Darins vor Alexander 
knieend dar. Auch hier herrscht in der Frauengruppe eine Fülle von 
Schönheit, aber die Composition ist schwach und Alles zu dicht auf 
einander gedrängt. In demselben Zimmer malte er ausserdem einen 
Vulkan, der durch Lebendigkeit der Bewegung und schönes Kolorit 
sich auszeichnet. Nach Vasari wurde Sodoma damals Wegen einer 
Lucrezia, welche dem Papste sehr gefiel, von diesem (Leo  in den 
Ritterstand erhoben. 
Seit 1515 finden wir den Künstler wieder in Siena. Hier malte 
er zunächst die Fresken im oberen Oratorium von S. Bernardino, 
an denen er indess mit manchen Unterbrechungen bis 1532 thätig war. 
Die Heimsuchung Maria ist eine etwas zu bewegte Composition, ob- 
wohl der Gedanke, dass Elisabeth ganz überwältigt in die Kniee sinken 
will und von der herbeieilenden Maria" aufgefangen wird, vortrefflich 
ist. Auch hier fehlt es nicht an herrlichen Einzelgestalten. Bei der 
Darstellung Maria im Tempel fallen in der Gruppe links die holden 
Mädchenköpfe auf, während die männlichen Figuren einen theatra- 
lischen Zug haben. Prächtig wirkt die edle Säulenhalle mit offenem 
mittlerem Bogen. Die Himmelfahrt der Madonna ist in der Compo- 
sition klar und besonders durch empiindungsvolle Köpfe ausgezeichnet, 
die wieder an Lionardo erinnern. Von minder gelungener Anordnung 
ist die Krönung der Madonna, obwohl sie selbst, in weissem Gewande 
ganz vorn knieend, von zartem Ausdruck ist; aber die herandrangenden 
Apostel sind nicht frei von Ostentation und nicht würdig genug charak- 
i) Die Ansicht eines hochverehrten Kenners ("Lermolieff"), dass die rafae- 
lische Composition von Sodoma herrühre und nur eine Variante darstelle, kann ich 
nicht theilen. Die einzelnen Motive sind gar zu verschieden, enthalten keinerlei 
Uebereinslimmung, ja der ganze Stil und die Art der Auffassung erscheinen mir 
völlig abweichend: dort rafaelisch, hier sienesisch.
	        
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