der Malerei.
Idealität
unberührt von der italienischen Kunst, die germanische Geistesart am
schärfsten und am höchsten ausgeprägt hat. Man kann keinen
grösseren Gegensatz denken als den zwischen Dürer und den Meistern
der italienischen Kunst. Der gewaltige Nürnberger Meister beharrt
unentwegt bei dem volksthümlichen Naturalismus des 15. Jahrhunderts.
Er schenkt uns nichts von dem Knorrigen, Derben, selbst Verzwickten
und Unschönen seiner heimischen Umgebungen in Menschen und Zu-
ständen; aber er erreicht dadurch eine fundamentale Tiefe der Charak-
teristik und eine erschütternde Gewalt der Seelenschildeirung, die um
so mächtiger wirkt, da sie sich um keine Schönheitslinie, um keine
idealen Anforderungen kümmert. Im Gegensatz dazu tritt bei den
Italienern eine Abdämpfung des Individuellen ein, welche der Tiefe
der Charakteristik Abbruch thut und schnell zu einer typischen Ver-
Hachung umschlagt. Freilich hält sie dafür schadlos durch den die
Seele bestrickenden Wohllaut der Linien und die holde Anmuth der
Geberden. So kam es , dass während Dürer in seiner ganzen Grösse
doch die engen Schranken seiner Zeit und seines Volkes nicht zu
überwinden vermochte, die Italiener durch die Verschmelzung des
christlichen Inhalts mit einer aus der Antike wiedergebornen Schönheit
ihrer Kunst eine klassische Vollendung gaben, deren Wirkung im
Reinmenschlichen, über die engen Anschauungen einer Nation oder
einer Zeit hinaus, für immer mustergültig sind.
Aber im christlichen Anschauungskreise sollte die italienische
Kunst nicht auschliesslich verharren. Weit stärker-als je zuvor wirkt
die antike Fabelwelt auf sie ein, und begeistert sie zu einer Fülle
eigenartiger Schöpfungen. Wenn solche mythologische Darstellungen
im 15. Jahrhundert mehr vereinzelt auftreten und meistens jene naive
Vermischung des Klassischen und Romantischen aufweisen, die zu
einer bunten märchenhaften Phantastik führt, so gewinnt auch auf
diesem Gebiet die italienische Kunst jetzt jene Läuterung der Form, die
sie mit den klassischen Schöpfungen der Antike wetteifern lässt. Und
doch ist zugleich in ihren edelsten Werken eine Solche Fülle eigener
Empfindung und freier Gestaltung, dass dieselben fern von aller
sklavischen Abhängigkeit wie aus congenialer Schöpferkraft hervor-
gewachsen scheinen. Rafaels Galatea und seine Psychebilder sind die
vollkommensten Beispiele solcher freien Gestaltungen, um so höher
anzusehlagen, da in der Literatur der Zeit das sklavische Nachbeten
des klassischen Alterthums eine so grosse und so verhängnissvolle
Rolle spielt. Ünd noch eins muss von dieser Gattung gesagt werden.