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Buch.
Kapitel.
Sienesen.
Die
verheirathet und einige Jahre ruhig lebt. In diese Zeit fällt wahr-
scheinlich das aus S. Francesco in die Akademie übergegangene
Freskobild des Erlösers an der Martersäule, ein Werk von ergreifendem
Ausdruck und trefflicher Farbenwirkung.
Zum zweiten Male wurde Sodoma nach Rom berufen, um für
Agostino Chigi die Farnesina mit Fresken zu schmücken. Dies war
im Jahre 1513, als Rafaefs Arbeiten im Vatikan schon weit genug
fortgeschritten waren, um einen bedeutenden Eindruck auf Sodoma zu
machen. Er nahm, so weit es seine Natur zuliess, diese Einflüsse in
sich auf und entwickelte im Wetteifer mit dem Urbinaten seine Kunst
zu lauterster Schönheit. Der Wohllaut in den Linien jugendlicher
Gestalten, die süsse an Lionardo erinnernde Holdseligkeit der Köpfe,
dazu das weiche und zugleich strahlende Kolorit verleihen den Werken
dieser Zeit einen unvergleichlichen Zauber, so dass man die damit
verbundenen Mängel, die Schwäche der Composition und namentlich
die schlaffe Stillosigkeit der Gewänder darüber leicht vergisst. Von
den beiden Darstellungen in einem der oberen Zimmer der Farnesina
aus der Geschichte Alexanders trägt die Vermählung mit der Roxanc
den Preis davon. (Fig. 94.) Die Darstellung folgt genau der Schilde-
rung, welche Lucian von einem Gemälde Aötion's giebt. Der Blick
fallt in ein reiches Gemach, in welchem man auf dem prachtvollen
Hochzeitbett Roxane mit dem süssen Ausdruck jungfräulicher Verwir-
rung sitzen sieht, während zwei Eroten wetteifern, ihr die Sandalen
zu lösen und ein dritter sie von ihrem Gewande zu befreien sucht.
Der jugendlich schöne Alexander naht mit zartem Ausdruck der Ver-
ehrung, um ihr die Krone darzureichen. Zwei Amoretten begleiten ihn,
von denen der eine ihn am Mantel vorwärts zieht, während der andere
hinter ihm am Boden kniet. In einiger Entfernung folgt ihm sein
Freund Hephästion mit der Hochzeitsfackel in der Hand, im Antlitz
schwärmerisch innige Theilnahme. Er stützt sich auf die Schulter des
Hymenaus, der, fast unbekleidet, an Schönheit der Gestalt und strah-
lender Jugendherrlichkeit des Kopfes wohl die vollkommenste Gestalt
ist, welche Sodoma je geschaffen. Hinter ihm bilden mehrere Liebes-
götter den Abschluss, die mit den Waffen des Helden ein übermüthiges
Spiel treiben, tanzen und Purzelbaume schlagen. Daneben öffnet sich
der Blick in eine poetische Gebirgslandschaft. Auf der andern Seite
des Bildes sieht man die Dienerinnen beschäftigt den Vorhang des
Bettes zu lösen und sich zu entfernen, um die Glücklichen allein zu
lassen. Auch hier wird die Schönheit der Gestalten freilich durch die