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Buch.
Kapitel.
Sienesen.
ehemals in S. Francesco, jetzt in der Akademie. Hier hat er mit
Anstrengung seine volle Kraft eingesetzt und in klarer Anordnung diese
schwierige Aufgabe vortrefflich gelöst. Dieauf Leitern stehenden
Männer lassen sorglich mit Tüchern den Leichnam herab, der von
Johannes mit schmerzvoll edlem Aufblick entgegen genommen wird.
Ihm gegenüber bildet Magdalena mit den beiden anderen Frauen eine
grossartig componirte Gruppe. Besonders diese Gestalten sind voll
Adel, die Bewegungen und Gewänder stilvoll durchgebildet. Die Malerei
war ehemals klar und flüssig, der Ton warm und harmonisch. Eine
poetisch empfundene Landschaft bildet den Hintergrund. Die Predella
enthält fünf kleine Scenen aus der Leidensgeschichte. Das Werk ver-
räth in der sorgfältigen Durchbildung und in den theils an Lionardo,
theils an Perugino erinnernden Typen die damalige Richtung des Künst-
lers. Er hat nie wieder so gediegen gearbeitet und so schön componirt.
Üm das Jahr 1507 wurde Bazzi durch Agostino Ghigi nach Rom
berufen, wo er bald von Julius II. den Auftrag erhielt, in den Stanzen
des Vatikans zu malen. Von diesen Werken, die bald darauf durch
RafaeYs Schöpfungen verdrängt werden sollten, ist nur Weniges er-
halten, dies Wenige aber verräth eine an Pinturicchids Vorbildern ge-
reifte Kunst heiter prächtiger Dekoration. Es ist die Decke in der
Stanza della Segnatura, deren ganze Eintheilung und Ausstattung offen-
bar Rafael so wohl gefiel, dass er sie, mit Ausnahme der Hauptbilder,
die in den übrigen Gedankengang nicht passten, beibehielt. Und man
wird ohne Zweifel dies Werk sogar den übrigen Decken in den Stanzen
an Reichthum und Reiz der Wirkung überlegen finden. Aehnlich den
Decken Pinturicchids in der Libreria zu Siena und in S. Maria del
popolo hat Sodoma das Gewölbe abwechselnd in Felder mit grau in
grau gemalten und in solche mit farbig auf Goldgrund ausgeführten
Darstellungen getheilt. Erstere enthalten Kriegsscenen, die sich wahr-
scheinlich auf Cäsar beziehen und bei welchen das Studium antiker
Reliefs deutlich sich verräth. Die farbigen Bilder dagegen sind der
Verherrlichung der Venus gewidmet, wahrscheinlich ebenfalls mit Be-
ziehung auf Cäsar, da das Julische Geschlecht bekanntlich seine Ab-
stammung von der Liebesgöttin herleitete. Im mittleren achteckigen
Felde endlich machte der Künstler nach dem Vorgange Mel0zzo's da
Forli und Mantegna's kühnen Gebrauch von der Perspektive des Sotto
in sü, indem er uns scheinbar in eine Oeffnung blicken lässt, welche
mit äusserst natürlichen, das päpstliche Wappen haltenden nackten
Grenien auf's reizendste angefüllt ist. Vasari, der Sodoma freilich sehr