394
Buch.
III.
Kapitel.
Sienesen.
Die
Pacchia unverdiente Ehre angethan ist. In Wahrheit war Pacchiarotti
ein mittelmässiger Maler, aber ein virtuoser Ünruhstifter und Raufbold,
von dessen wüstem Leben die Annalen Siena's über Gebühr angefüllt
sind. In Siena 1477 geboren, war er 1502 an dem Aufstande gegen
'Pandolfo Petrucci betheiligt, lag wiederholt mit den Truppen der Stadt
im Felde, wurde 1529 Wegen Verraths in's Gcfängniss geworfen und
in eine Strafcompagnie gesteckt, liess sich, nachdem er bald begnadigt
worden war, 1530 in die Verschwörung der Demokraten ein, und half
1534 als Mitglied einer wilden Rette, der Bardotti, die Strassen der
Stadt unsicher machen. Im folgenden Jahre musste er fliehen, wobei
er zwei Tage sich in einem Grabe verbarg. Trotz dieses wüsten
Lebens war er seit 1505 verheirathet, wurde in den nächsten Jahren
Familienvater und erhielt zu verschiedenen Zeiten Aufträge für Fresken,
Altarbilder, Fahnen u. dgl. Noch 1535 musste er zum Einzuge Karls V.
einen Triumphbogen malen, aber 1539 wurde er wegen politischer
Vergehen abermals ausgewiesen, dann 1540 zurückberufen und starb
endlich, wahrscheinlich in demselben Jahre, zu Siena.
Dass unter solchen Lebensverhältnissen nicht viel von stetiger
künstlerischer Arbeit sich ergeben konnte, liegt auf der Hand. In der
That lassen sich nur wenige Werke von ihm nachweisen. Zwei Bilder
sieht man in der Akademie zu Siena, eine Himmelfahrt Christi und
ein Triptychon der Heimsuchung lllariä, mit St. Michael und Franziskus
auf den Flügeln. Diese Werke lassen mancherlei Spuren gemischter
Einflüsse erkennen, wie denn namentlich in den Bewegungen theils die
leidenschaftliche Energie Signorellfs, theils die weichere Empfindung
Pinturicchids und selbst die Gefühlszartheit Sodomafs zu spüren ist.
Es fehlt aber vor Allem an tieferem Verständniss des Organismus und
an harmonischer Kraft der Färbung. Eine andere grosse Darstellung
der Heimsuchung, wobei Johannes d. T. und St. Leonhard im Vorder-
grund knieend und weiter zurück vier Heilige stehend dargestellt sind,
besitzt die Akademie zu Florenz (Nr. 16 im Saal der alten Meister).
Auch dieses Werk ist keine erfreuliche Schöpfung, sondern vielfach
übertrieben in der Zeichnung und affektirt im Ausdruck. Ungleich werth-
voller ist die grosse Altartafel im Carmine zu Siena, wahrscheinlich jetzt
in der Akademie, welche die Himmelfahrt Christi darstellt. Dem zwischen
Moses und Elias aufschwebenden Erlöser schaut die Madonna sammt
den zwölf Aposteln mit lebhaften, zum Theil wieder übertriebenen Ge-
berden nach. Im Ganzen steht das Werk den Arbeiten Pacchiofs näher,
so dass man eine Mitwirkung desselben wohl annehmen darf.