Garofalo.
Benvenuto
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Nachdem sein Bruder selbständig geworden war und ihn verlassen
hatte, heirathete Garofalo mit achtundvierzig Jahren, hatte aber ein
Jahr darauf das Unglück, die Sehkraft des einen Auges zu verlieren.
„Da befahl er sich, wie Vasari erzählt, dem Schutze Gottes, gelobte
fortan nur graue Kleider zu tragen, was er auch durchführte, und
behielt durch Gottes Gnade das Licht des anderen Auges in solcher
Kraft, dass die Werke, welche er mit fünfundsechzig Jahren fertigte,
bewundernswürdig fieissig und sauber ausgeführt sind." Zwanzig Jahre
lang arbeitete er ohne Bezahlung im Kloster der Nonnen von S. Ber-
nardino, wo er viele treffliche Werke ausführte. Der liebenswürdige,
edelgesinnte Meister hatte 1550 das Unglück, ganz zu erblinden; aber
mit Geduld und Gottergebenheit ertrug er diese schwere Schickung,
bis 1559 der Tod ihn, wie Vasari sagt, aus der Finsterniss in das
ewige Licht befreite.
Dieselbe Innigkeit religiöser Empfindung spricht sich in seinen
Werken aus. Eine ganze Reihenfolge seiner kleineren Andachtsbilder
sieht man in den römischen Galerieen, namentlich im Capitol und in
den Palästen Doria und Borghese, prächtig in der Farbe, anmuthig
im Ausdruck, in der Composition von jener Harmonie der Linien,
welche in den Werken der mittleren rafaelischen Zeit so wohlthuend
berührt. Im Einzelnen seien etwa folgende hervorgehoben: in der Gal.
Borghese eine liebenswürdige Anbetung der Hirten (I, 67), sodann
Nr. 46 Christus mit der Samariterin am Brunnen, in poetisch empfun-
dener Landschaft, die an Dosso erinnert, dieselbe Scene noch einmal
unter Nr. 47; ebenda ferner Nr. 24 ein Noli me tangere; eine reizende
Geburt Christi mit Anbetung der Hirten unter Fig. 60; ausserdem
noch manches andere gleich treifliche Bild. Ferner im Museum zu
Neapel eine edel angeordnete, innig empfundene Kreuzabnahme.
Mehrere nicht minder zierlich ausgeführte Bildchen finden sich im
Louvre, namentlich eine h. Familie von warmem Kolorit in heiterer
Landschaft unter Nr. 419; ebendort unter Nr. 420 eine andere h. Fa-
milie von besonders gemüthlichem Ausdruck, der durch die reizende
Landschaft noch gehoben wird, während in der Färbung der silber-
graue Ton vorherrscht, welcher seine spätere Epoche bezeichnet. Auch
die h. Jungfrau mit dem schlafenden Kinde Nr. 421, ein späteres Werk,
ist eine liebenswürdige Composition von rafaelischer Haltung, in der
Farbe jedoch durch die grauen Schatten des Fleisches etwas Hau.
Kräftig und dabei zierlich gemalt ist dagegen die Beschneidung Nr. 418.
Auch die Nationalgalerie zu London besitzt in der h. Familie Nr. 170