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Buch.
VIII.
Kapitel.
Schüler und Nachfolger RafaePs.
musste hier mehr als anderswo die Gefahr des Üonventionellen hervor-
treten; aber so übermächtig wirkte der Reiz dieser Formenwelt, dass
die Schüler und Nachahmer sich ihr unbedingt hingeben und die Fähig-
keit verloren, die Natur mit eignen Augen zu sehen. Es wird daher
genügen, wenn wir nur die namhafteren Künstler dieser Schule in's
Auge fassen.
An die Spitze stellen wir, nicht wegen seiner hohen Bedeutung,
sondern wegen seiner innigen Beziehungen zum Meister, Giovanni Fran-
cesco Penni, der wie es scheint RafaePs Factotum war und daher den
Beinamen „z'l Fattore" erhielt. Mit Giulio Romano theilte er sich in
den künstlerischen Nachlass des Meisters, wie er mit diesem auch die
von Rafael unvollendet hinterlassenen Gemälde vollendete. Penni war
um 1488 in Florenz geboren und hatte dort, wir wissen nicht bei
Welchem Meister, seine erste Ausbildung erhalten. Wann er nach Rom
gekommen ist, ist uns nicht überliefert; allein schon bei Ausführung
der Kartons für die Teppiche fiel ihm ein bedeutender Theil der Ar-
beit zu, und bei allen grösseren Schöpfungen des Meisters aus den
letzten Jahren wurde seine Hülfe in Anspruch genommen. Nach RafaePs
Tode theilte er sich mit Giulio Romano, wie wir gesehen haben, in die
Ausführung des Altarbildes der Krönung Maria für das Kloster Monte-
luce, und im Constantinssaal fiel ihm die Darstellung der Taufe Con-
stantins zu. Bei geringer Erfindungsgabe und wenig Selbständigkeit
wusste Penni sich Wenigstens durch treue Hingabe an die Weise seines
Meisters ein gewisses Verdienst zu erwerben. So entstand im Jahre
1518 die sehr tüchtige Kopie von RafaePs Grablegung, welche man
in der Galerie zu Turin sieht; so eine ebenfalls werthvolle Wieder-
holung der Transfiguration, welche in einer Kirche zu Neapel aufgestellt
wurde und dort auf die Malerei im Sinne RafaePs einen bestimmenden
Einfluss gewann. Penni begab sich selbst später dorthin und mag zur
Verbreitung des rafaelischen Stiles beigetragen haben. Doch vermögen
wir nicht nachzuweisen, was er etwa dort geschaffen hat. In der
Sakristei der Peterskirche zu Rom sieht man von ihm eine anmuthige
thronende Madonna mit zwei würdevollen verehrenden Heiligen, eine
ansprechende Composition, nur im Kolorit zu bunt und grell. Der
Künstler starb schon 1528.
Durchgreifender war die Thätigkeit des Piero Buonaccorsi oder
Perinoidel Vaga (1499-1547), der ebenfalls aus der florentiner Schule
hervorging und sich dann an Rafael anschloss. Seine erste Richtung
wurde durch Ridolfo Ghirlandajo bestimmt, wo er eine tüchtige Grund-