Achtes
Kapitel.
Schüler
und
Nachfolger
Rafaefs.
Vasari erzählt uns, dass Rafael nie von seinem Hause zu Hofe
gegangen sei, ohne von „wohl fünfzig guten und vorzüglichen Malern"
umgeben zu sein, die ihn durch ihr Geleit ehren wollten. Dass Rafael
bei den immer mehr gesteigerten Aufgaben sich in den letzten Jahren
seines Lebens in umfassender Weise der Mitwirkung von Schülern und
Gehülfen bedienen musste, haben wir schon gesehen. In der That war
er das ausschliessliche Haupt, der alleinige Beherrscher der römischen
Malerei geworden. Nicht bloss seine hohen künstlerischen Eigenschaften,
sondern auch seine Liebenswürdigkeit fesselten fast alle dortigen Maler
an seine Person und zogen viele begabte Künstler aus den verschie-
densten anderen Schulen nach Rom, wo sie bald unter seinem Einfluss
ihr lokales Gepräge abstreiften und in die Botmässigkeit seines Stils
geriethen. Damit trat nun freilich bei den meisten eine Vertlachung
und Veräusserlichung ein, die bedenklich rasch zum Manierismus führte.
RataePs römischer Stil war das Ergebniss einer unablässigen Lebens-
arbeit, in welcher der grosse Künstler mit einer noch mehr sittlichen
als ästhetischen Kraft nach dem Ausdruck für jene höchste Idee des
Schönen gerungen hatte, welche ihm wie wir aus jenem Briefe an
Castiglione erfahren haben, bei seinem Schaffen vorschwebte. So eifrig
er bis in seine letzten Tage immer wieder die Natur zu Rathe zog, so
verwandelte er doch jede direkte Anschauung des Lebens in eigenes
Fleisch und Blut und bildete sie zu allgemein gültigen idealisch er-
höhten Formen um. So entstand ein Stil, der sich den Schöpfungen
des klassischen Alterthums näherte und den aus der Antike geschöpften
Anschauungen auf halbem Wege entgegen kam.
Aber die lautere Schönheit dieses Stiles empfing ihre höchste
Bedeutung doch nur aus dem Geiste des Meisters, und die Anmuth
dieser Formenwelt ergreift uns desshalb so mächtig, weil wir sein
seelenvolles Empfinden darin erkennen. Für jeden Andern, der die
rafaelische Formensprache als etwas Fertiges, Stabiles sich aneignete,