358
Buch.
VII.
Kapitel.
Rafael
unter Leo
Papst an der Spitze, in banger Spannung um das Leben des edlen
Meisters hielt. Endlich erlag seine zarte Natur, und am Charfreitag,
demselben Tage, der ihn vor siebenunddreissig Jahren der Welt geschenkt,
war dies reiche Leben erloschen. Ganz Rom strömte herbei, um den in
seinem Hause auf einem Katafalk aufgestellten Leichnam, über welchem
sich sein letztes Werk, die Transtiguration erhob, mit den letzten Liebes-
beweisen zu ehren. Sein Grab erhielt er im Pantheon, an der Stelle,
die er selbst dafür bestimmt hatte. Zu Unterhaltung der Kapelle und
für die jährlich zu lesenden Seelenmessen setzte er in seinem Testamente
1000 Scudi aus. An derselben Stelle war auf seine Anordnung die ihm
verlobte Maria Bibbiena, die ihm im Tode vorausgegangen war, beige-
setzt worden. Sein ansehnliches Vermögen, das auf 16000 Dukaten ge-
schätzt wurde, hinterliess er, wie es scheint, seinen Verwandten in Urbino.
Sein Haus soll er angeblich dem Kardinal Bibbiena vermacht haben; seine
Geliebte, die bis zu seinem Tode bei ihm war, stattete er reichlich aus.
Üeber RafaePs Charakter giebt es bei allen Zeitgenossen nur ein
Urtheil. Seine neidlose Güte, sein reiner Sinn wird von Allen einstimmig
gepriesen. Er ist auch in dieser Hinsicht ein entschiedener Gegensatz
zu Michelangelo, der wenigstens in seinen jüngeren Jahren störrig und
unfreundlich gegen die angesehensten Kunstgenossen war, keinen be-
deutenden Meister neben sich dulden konnte, und der immerhin, wenn
er selbst auch viel zu hoch für dergleichen stand, doch die hamischen
Bemerkungen von Leuten wie Sebastian del Piombo und Lionardo Sellajo
über Rafael duldete. Das kräftigste Zeugniss für den edlen Künstler
verdanken wir Vasari, und es wiegt um so schwerer, wenn man dessen
nahe Beziehungen zu Michelangelo erwägt. Nicht allein preist er an
ihm die Höhe und Vollkommenheit seiner Kunst, die nie Jemand hoffen
dürfe übertreffen zu können, sondern fast noch mehr rühmt er seine
edlen Sitten, sein leutseliges Wesen, das herzliche Verhältniss zu seinen
zahlreichen Schülern. Am meisten bewundernswürdig findet er, dass der
Himmel ihm die Kraft verliehen habe, im Künstlerkreise zu erwecken,
was wider die Natur der Maler streite; denn alle seien einig gewesen,
sobald sie in Gesellschaft Rafaefs arbeiteten. "Jede üble Laune Schwand,
wenn sie ihn sahen, jeder niedrige Gedanke war aus ihrer Seele ver-
scheucht, und dies kam daher, dass sie durch seine Freundlichkeit, durch
seine Kunst und mehr noch durch die Macht seiner schönen Natur sich
überwunden fühlten."