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Buch.
Kapitel.
Kunst
Hochrenaissance.
hin, umflossen von dem farbenschimmernden Zauber einer aus der
antiken Marchenwelt wie eine neue schaumgeborne Aphrodite auf-
tauchenden Dekoration. Wehmüthig blickt uns jetzt die Poesie der
goldnen Zeit der Renaissance träumerisch aus den halbvertallenen
Hallen dieser von der höchsten Kunst geadelten Lustsitze an, die
mehr als alles Andere uns die ganze Feinheit, Höhe und Vollendung
der damaligen italienischen Kultur zum Bewusstsein bringen.
Daneben aber entwirft Bramante in seinen Plänen für S. Peter
zugleich die Grundzüge für den höchsten Monumentalbau der Welt,
indem er den gewölbten, gegliederten Centralbau mit hochragender
Mittelkuppel zeichnet, den erst Michelangelo durch die Riesenkuppel
St. Peters zur Vollendung bringt. Und endlich gewahrt der zierliche
Tempietto bei S. Pietro in Montorio ein vollendetes Musterbild von der
edlen und reinen Wiedergeburt des klassischen Alterthums. In all
diesen Werken liegt das Entscheidende darin, dass mit den letzten
Resten mittelalterlicher Constrnktion und Detailbildung völlig aufge-
räumt wird, und dass das Gesetz der römisch-klassischen Architektur
ausschliesslich alles Bauen beherrscht. Und hier erkennen wir das-
selbe Grundgesetz, welches in der Literatur jener Epoche sich geltend
macht, denn so gut dort der christliche Gott wieder wlupiter", der
Himmel „Olymp", die Kardinäle „Senatorena, der Papst „Divusa und
nOptimus Maximus" heisst, so gut in Sannazards Gedicht „de partu
virginis" die Fleischwerdung des Wortes von Proteus prophezeit wird,
so gut verlangte in der Begeisterung für das klassische Alterthum
selbst der Kirchenbau sein Gewand von der Antike.
Ist hier der Punkt, wo ohne Zweifel durch völliges Aufgehen in
antike Anschauung und durch Aufgeben der mittelalterlichen Tradition
dem spezifisch christlichen Geiste sein Recht {Yerkümmert Wird, so lässt
sich ähnliches auch von der Plastik jener Zeit nicht in Abrede stellen.
Auch hier überwiegt immer mehr das Schönheitsgesetz des klassischen
Alterthums, das sich den kirchlichen Aufgaben um so widerstrebender
erweist, je entschiedener die Kunst den Bahnen der Antike folgt. Das
auffallendste Beispiel gab kein Geringerer als Michelangelo in seinem
marmornen Christus für Sta. Maria sopra Minerva, wo die Begeisterung
für das antike Schönheitsideal den Künstler so weit führt, dass er den
Verkündiger des höchsten und reinsten Spiritualismus in klassischer
Nacktheit hinstellt. Aber derselbe_ grosse Meister bewies in seiner
ergreifenden Pietät, dass ihm auch die feineren Töne für diese edelste
Aufgabe der christlichen Kunst zu Gebote standen. Dennoch gelangt