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Buch.
Kapitel.
VII.
Rafael
unter Leo X.
er als Probe die Figuren der Gerechtigkeit und der Sanftmuth durch
Giulio Romano und Francesco Penni in Oel malen lassen. Dann unter-
brach sein Tod, und im folgenden Jahre das Hinscheiden Leo's X.
das Werk. Auch während des kurzen Pontificats Hadrians VI. blieb
dasselbe liegen, und erst unter Clemens VII. (1523) wurde es wieder
aufgenommen. Nun führten die beiden genannten Künstler mit Unter-
stützung des Rafael del Celle und des Giovanni da Lione das umfang-
reiche Werk aus. Sie wandten sich indess dabei der Freskomalerei
wieder zu und liessen nur die beiden in Oel ausgeführten Figuren
stehen. Die Gegenstände der Darstellungen sind aus dem Leben Con-
stantins genommen, schildern also den Sieg des Christenthums über
das Heidenthum. So durfte also Rafael gegen sein Lebensende noch
einmal den Schritt in die grosse Historienmalerei thun, unbeirrt von
allerlei Nebentendenzen und Anspielungen. Vier grosse Bilder aus dem
Leben Constantins nehmen den Haupttheil der Wände ein. Mit reich
ornamentirtem Rand und Franzen eingefasst, ahmen sie aufgehängte
Teppiche nach. Die Bilder werden getrennt durch Papstfiguren, die
in Nischen gemalt sind und allegorische Gestalten von Tugenden neben
sich haben. Ueber diesen sind kleinere symbolische Figuren auf Pi-
lastern angebracht. So wurde ein neues Motiv in die Flächengliederung
eingeführt, Welches auf Wirksame malerische Contraste ausgeht und
den grossen Dimensionen des Saales treiflich entspricht. Der Sockel
wird durch Karyatiden gegliedert, zwischen welchen bronzefarbig ge-
malte Reliefs mit Scenen aus dem Leben Constantins imitirt sind.
Den Anfang macht die Erscheinung des Kreuzes. Der Kaiser
steht links, von einem älteren Anführer begleitet, auf einer Tribüne
und verkündet vier Fahnenträgern die Vision des wunderbaren Kreuzes,
das man oben in den Lüften sieht. Die Mittheilung erregt sichtlich
Enthusiasmus, und aus dem Hintergrunde eilen Soldaten herbei, un1
ebenfalls in lebhafter Weise Theil zu nehmen. In der Ferne sieht
man antike Monumente, namentlich die Mausoleen der Kaiser und eine
Pyramide. Der missgestaltete Zwerg rechts im Vordergrunde und die
beiden den Kaiser begleitenden mittelalterlichen Pagen sind Zusätze
G. Romano's, der das Bild in kräftig frischem Ton ausgeführt hat.
Der Entwurf beündet sich beim Herzog von Devonshire in Chatsworth,
kann aber schwerlich auf Rafael selbst zurückgeführt werden, da die
Composition zu mattiund unselbständig ist.
Dagegen ist das zweite Bild, die berühmte Constantinsschlacht,
ohne Frage nach Entwürfen RafaePs durch G. Romano ausgeführt,