348
Buch.
Kapitel.
VII.
unter Leo X.
Rafael
In diese Reihe gehört endlich die Madonna dell' Impannata in
der Galerie Pitti. Wir wissen, dass Rafael dieselbe für Bindo Altoviti
schuf, aber die Ausführung kann hur zum Theil von seiner Hand
rühren, weist vielmehr auf die Mitwirkung verschiedener Schüler hin.
Gleichwohl deutet die Composition mit ihrem reichen Leben, deuten
die Typen der Köpfe, der Stil der Gewänder unverkennbar auf seine
Erfindung. Die Madonna, ein hohes mütterliehes Weib, steht aufrecht
und nimmt das Kind von den Armen der vor ihr sitzenden Elisabeth.
Diese erinnert im Typus des runzelvollen Matronengesichtes an die
entsprechenden Figuren auf der Perle, der Madonna Franz I. und auf
mehreren anderen dieser späteren heiligen Familien. Das Christuskind,
voll köstlichen Milthwillens, strebt verlangend zur Mutter empor,
wendet sich aber lachend gegen eine schöne jüngere Heilige, vielleicht
Katharina, welche hinter Elisabeth herantretend, den Kleinen scherzend
mit dem Zeigeiinger berührt. Man kann nichts Naiveres, Lebendigeres
sehen. Auf der Seite der Madonna sitzt Johannes der Täufer im
reiferen Knabenalter, so wie er auf dem Bilde in den Uffizien und im
Louvre vorkommt. Er weist auf die Gruppe hin und füllt eine Lücke
der Composition aus, die ohne ihn keinen genügenden Abschluss fände.
Das Ganze ist von ächt rafaelischem Zauber, das scheinbar Zufällige
geadelt und zu hoher Schönheit in Linienführung, Aufbau und Charak-
teren entfaltet. Die Färbung erinnert in den kräftigen Tönen an den
Johannes der Ufiizien. Das Zimmer, in welchem die Scene spielt,
wird durch ein mit Leinwand geschlossenes Fenster erhellt, von wel-
chem das Bild seinen Beinamen trägt.
Bei all' diesem Schaffen, das von Schönheit und Anmuth erfüllt
war, sollte Rafael noch einmal die Gelegenheit werden, sich tief in die
leidenvollen Momente der Passion Christi zu versenken. Dies Thema,
das der nordischen Kunst von Roger, van der Weyden und Schon-
gauer bis auf Dürer und Adam Krafft so sehr wie kein anderes am
Herzen lag, war von den Meistern der italienischen Renaissance nur
selten behandelt worden. Am meisten hat noch die Kunst Oberitaliens
und die Schule Umbriens es gepflegt, wie denn Rafael selbst mit der
Grablegung seine erste Epoche absehloss. Aber das glänzende Genuss-
leben am Hofe Leo's X. hatte wenig gemein mit dem Andenken an
die Leiden des Erlösers, und selbst die christlichen Heiligen lebten für
diese Anschauung nur im Sonnenschein des Glückes und der Lust, wie
die antiken Götter. Als daher Rafael um 1516 den Auftrag annahm,
für das Kloster der Olivetanermönche zu Palermo die Kreuztragung